Möbeltrends kommen in Franken verspätet an

21.01.2013, 16:00 Uhr
Möbeltrends kommen in Franken verspätet an

© Katja Jäkel

Die Halle 3 steht bei Thomas und Susanne Kocher vom „Roten Punkt“ ganz oben auf der Liste. 30 bis 40 Hersteller wollen sie besuchen, darunter Lieferanten, die der „Rote Punkt“ bereits führt, aber auch solche, „die wir gerne in unser Sortiment aufnehmen würden“. Systematisch gehen die Kochers Gang für Gang durch. Am Stand der niederländischen Firma „Fatboy“ bleiben sie stehen. Seit über zehn Jahren ist der knallbunte Sitzsack nicht totzukriegen. „Deleting Dull“ ist das Motto, der Langeweile soll man mit „Fatboy“ entfliehen. Mit einem fünf Meter großen Hasen für 1750 Euro beispielsweise — ein Hingucker fürs Schaufenster.
 

Der Fokus liegt für alle Nürnberger Einkäufer auf den Hallen 3, 10 und 11. Hier stellen die großen, bekannten Firmen wie Ligne Roset, Walter Knoll und B&B Italia, Vitra, Flötotto oder Kartell aus. In diesen drei Hallen werden die Trends geboren, heißt es so schön vonseiten der Messe.

Edle Grautöne

Laut „Trendguide“ der IMM ist Blau die neue Farbe, Weiß bleibt, hinzukommen edle Grautöne. An Blau glaubt Susanne Kocher nicht: Bei den Sofas gehen in Nürnberg eher gedeckte Farben von Braun bis Grau. „Eine Couch in Orange, das ist geil“, sagt ihr Mann. „Aber die will keiner.“

Möbeltrends kommen in Franken verspätet an

© Katja Jäkel

Erst wird geguckt, seltener gleich bestellt, erklären die Kochers. „Der kleinere Hase ist schon toll“, beschließt Susanne Kocher und bestellt ganz gegen ihre Norm auch gleich noch einen neuen „Bodenbelag“ mit ornamentalen Mustern für ihre Ausstellung — ebenfalls angesagt, laut IMM.

Manchmal, da finde man schon neue Firmen, die interessant sind, sagen die Kochers. Doch man müsse eben auch immer ans Kaufverhalten der fränkischen Kundschaft denken. „Der Franke braucht nicht die neueste Innovation“, sagt Thomas Kocher vorsichtig. Und seine Frau fügt hinzu: „Der Trend aus Köln kommt in Nürnberg etwa eineinhalb Jahre später an.“ Beispiel Kuhfell: Erst nachdem die gefleckten Möbel wieder aus dem Schaufenster verschwunden waren, fragten die Kunden danach.

Davon kann auch Jürgen J. Burk ein Lied singen. Bis Ende 2012 versuchte er mit seiner Firma und Galerie artificial die Nürnberger für Design zu begeistern. Jetzt ist er mit artificial nach 27 Jahren still und leise nach München gezogen. Das fränkische Kaufverhalten sei komplett anders als das der Münchner: „Denen gefällt etwas und sie kaufen es. Der Nürnberger ist erst mal skeptisch.“ Witzig sei aber, dass gerade die Franken Kleinmöbel und Accessoires bei artificial im Internet bestellen.

Heimische Hölzer

Julika Frank und Karin Ulbrich von Reim Wohndesign (BSK) sehen sich mehr als Beraterinnen, die mit dem Kunden eine Lösung suchen. „Wir wollen ihm keine Trends aufdrücken, die nicht zu ihm passen“, erklärt Julika Frank. Erst absolvieren die beiden Frauen die Besuche bei ihren Lieferanten, wie Minotti oder B&B Italia, dann darf entdeckt werden. Besonders spannend sei die neue Firma Freifrau, die es erst seit einem Jahr gibt und jetzt in aller Munde ist. Heimische Hölzer wie die gute alte Eiche verwendet Freifrau — ein weiterer Trend auf der IMM. Der Name ist Programm: „Da 80 Prozent der Frauen entscheiden, welche Möbel in die Wohnung kommen, arbeiten wir bevorzugt mit Designerinnen und geben unseren Möbeln auch Frauennamen“, erklärt Pressesprecher Udo Patzke.

Hanna Emilie Ernsting hat den neuen Sessel „Tilda“ entworfen: „Einkuscheln war schon immer mein Thema“, sagt die junge Designerin. An die Sitzfläche des kleinen Sessels hat sie eine warme Lodendecke angeknöpft. Frank und Ulbrich gucken skeptisch. Besser gefällt ihnen ein Stuhlsessel aus „knuffigem Leder“, so Patzke. Julika Frank zückt das Handy und macht ein paar Fotos.

Waren in den vergangenen Jahren ausladende Sitzlandschaften zu sehen, entwerfen die Designer jetzt wieder für kleinere Räume: Grazile Sessel oder kleine Sofas mit Formen, die an die 50er und 60er Jahre erinnern. Stühle werden immer bequemer, man bleibt nach dem Essen gerne am Tisch sitzen. „Aquarell- und Pastelltöne sind ganz stark im Kommen, aber auch Metallic“, meint Karin Ulbrich, die seit vielen Jahren in der Einrichtungsbranche tätig ist.

Bequem gepolstert

„Harte Schale, weicher Kern“, ist das Thema bei der deutschen Firma Walter Knoll. Karin und Eduard Renner („Raum & Idee“) sind von dem sehr leichten Stuhl „Liz“, der mit dem „Interior Innovation Award 2013 Best of Best“ ausgezeichnet wurde, begeistert. Claudio Bellini, der Sohn des berühmten italienischen Designers Mario Bellini, hat ihn entworfen. Die Renners bestellen das neue Sofa „Yuuto“ gleich auf der Messe. „Die Leute wollen etwas anfassen, es ausprobieren“, sagt Eduard Renner. „Viele kommen ein paar Mal, bevor sie kaufen. Und bekannte Designer sind durchaus ein Anreiz“, beschreibt er seine fränkische Kundschaft.

Kein richtiges Highlight hat Peter Seidel von „Raum + Form“ auf der Messe gefunden. Er ist vor allem wegen seiner Internetplattform „Designkiste“ unterwegs. Im Schnellschritt, der Unternehmer hat nur einen Tag Zeit. „In Köln ist es eher bodenständig. Auf der Möbelmesse in Mailand, da findet ein Feuerwerk der Emotionen statt. Aber ob das der Nürnberger auch kauft?“ Die Designkiste „rappelt“, sagt er. Er bietet renommierte Firmen, wie das bei den Franken sehr beliebte team7 an.

Heute will Peter Seidel bei Fraubrunnen vorbeigucken: „Die hätte ich sehr gerne im Programm.“ Qualitativ hochwertige Kastenmöbel, aber auch ganze Schlafzimmer fertigt das Schweizer Unternehmen. „Spectral“ steht ebenfalls auf der Liste, die sogenannte „Soundmöbel“ herstellen und zum Abschluss geht es in die schicke „Designpost“. Viel Rücksicht auf den fränkischen Geschmack muss Seidel nicht nehmen: „Das ist das Schöne am Internethandel: Meine Kundschaft kommt nicht nur aus Nürnberg“, sagt er und lächelt ein wenig süffisant.
 

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