Mord an Rentnerin: Ermittler fahnden mit Plakaten
29.6.2013, 11:41 Uhr„Ich lasse jetzt immer die Rollos herunter“, sagt Ilse K. (Name geändert). Mit einer Nachbarin sitzt sie an einem Bistrotischchen in der Sonne vor dem Haus an der Elsässer Straße. Wand an Wand hat die 75-Jährige mit Anneliese Morchutt gewohnt. Jetzt habe sie „schon irgendwie Angst“. Wegen der Obdachlosen und Drogensüchtigen, die abends an den Parkbänken zwischen den WBG-Mietshäusern herumlungerten. Der Mörder „muss über den Balkon gekommen sein“, mutmaßt Ilse K. Denn nachts habe Anneliese Morchutt „nie aufgemacht“.
Die Wohnungstür der Verstorbenen liegt im Blickfeld des Kaffeekränzchens. Große, schwarze Schlieren aus Graphitstaub hat die Spurensicherung der Kripo auf dem orangefarbenen Türblatt hinterlassen. Neben dem blauen Fußabstreifer haben Nachbarn rote und weiße Grablichter entzündet, Vasen mit Lilien und Rosen dazugestellt.
Viele Gerüchte kursieren. Dass die Verstorbene geknebelt gewesen sei, heißt es. Dass die Polizei sie auf dem Bett im Schlafzimmer gefunden habe, dass sie mit einem Teppich zugedeckt gewesen sei. Und eben, dass der Täter, der die 85-Jährige so grausam erstickt hat, über den Balkon gekommen sein müsse. Weil Anneliese Morchutt die Angewohnheit hatte, nachts die Balkontür offen zu lassen, den Rollo nur bis einen Meter über dem Boden zu schließen – damit ihr Hündchen „Gipsy“, ein Yorkshire-Shih-Tzu-Mischling, jederzeit auf den Balkon im Hochparterre trippeln konnte.
Ob die Ermordete viel Geld gehabt habe? Die Nachbarinnen zucken mit den Schultern. Anneliese Morchutt habe gut ausgesehen, sich immer hübsch zurechtgemacht, sei zwei, drei Mal pro Woche mit dem Taxi zum Einkaufen gefahren. Andererseits habe sich die 85-Jährige den neuen Rollator vor einiger Zeit von der Krankenkasse finanzieren lassen müssen, heißt es.
Auch die Polizei steht noch vor zahlreichen Rätseln. Das beginnt bei den durchwühlten Schränken in der Mordwohnung. Angehörige des Opfers (vermutlich Sohn Roland) durften sie bereits kurz in Augenschein nehmen. Doch ob Wertgegenstände fehlen, stehe bislang nicht zweifelsfrei fest, sagt Polizeisprecher Robert Sandmann. Und die Rätsel enden längst nicht mit der Suche nach dem Mörder und dessen Motiv.
Dem hoffen die Mordermittler der Kripo nun über die Öffentlichkeitsfahndung näher zu kommen. 14 Beamte der Bereitschaftspolizei und vier Kripobeamte haben sich am frühen Freitagnachmittag auf den Weg durch die Südstadt gemacht. Sie sprechen Passanten an, verteilen das weiß-rote Fahndungsplakat im Din-A-4-Format, gehen in Geschäfte. Auch in das Nagelstudio von Anna Eschler an der Siemensstraße. Die 29-Jährige hat viele ältere Kunden – und ist so gesehen froh, dass sie die Ermordete nicht kannte. Den Flyer klebt sie nur zu gerne ins Schaufenster. Denn in der Südstadt sei „immer was los“, sagt sie mit einem Lächeln und berichtet von Polizeieinsätzen, von Osteuropäern und von Menschen, die schon morgens um 9 mit der Bierflasche in der Hand unterwegs sind.
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