Nach 24 Jahren in Deutschland: Nürnbergerin droht Abschiebung

Alexander Aulila

Online-Redaktion

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13.4.2020, 08:15 Uhr
Feyruz R. (Mitte) kämpft gemeinsam mit ihrer Familie gegen ihre drohende Abschiebung.

© privat Feyruz R. (Mitte) kämpft gemeinsam mit ihrer Familie gegen ihre drohende Abschiebung.

Es ist die Ungewissheit, die dieser Tage für Angst bei Familie R. sorgt. Feyruz R., eine 57-jährige Nürnbergerin, droht die Abschiebung. Seit 24 Jahren lebt sie in Deutschland, spricht fließend Deutsch, hat eine unbefristete Arbeitsstelle. Trotzdem soll die dreifache Mutter nun abgeschoben werden - in ein Land, zu dem sie keinerlei Bezug hat. Ihre Familie kämpft nun auch mittels einer Petition darum, die Ehefrau, Mutter und Großmutter in Deutschland halten zu können. Fast 2500 Menschen haben dort bis zum Sonntagabend bereits unterschrieben.

1996 floh die Familie mit ihren drei Töchtern aus dem Irak nach Deutschland. Als Faili-Kurden wurden sie dort politisch verfolgt, waren in Bagdad die "Speerspitze der irakischen Opposition zur Diktatur von Saddam Hussein", wie es die Gesellschaft für bedrohte Völker bezeichnet. Die Familie lebte zunächst in Oberbayern, ehe sie in den späten 90er-Jahren ihr Zuhause in Nürnberg fand. Hier gingen die Mädchen zur Schule, hier bemühten sich die Eltern um Arbeit. Ihr Antrag auf Asyl wurde aufgrund der politischen Situation in ihrem Heimatland bewilligt.

Zahlreiche Besuche bei den Behörden

Nachdem der irakische Diktator Saddam Hussein 2006 hingerichtet wurde, galt der Irak aber wieder als sicheres Herkunftsland. "Wir alle haben damals einen Abschiebungsbescheid bekommen", erinnert sich Sara, Feyruz' jüngste Tochter. Mit der Hilfe eines Anwalts konnte die Abschiebung der Familie, die zu diesem Zeitpunkt immerhin schon zehn Jahre in Deutschland gelebt hatte, aber noch verhindert werden. Im Laufe der Jahre erhielten die Töchter die deutsche Staatsbürgerschaft, die Duldung ihres Mannes wurde immer wieder verlängert. Auch Feyruz wollte nun die Gewissheit, langfristig bei ihrer Familie bleiben zu können. Dafür brauchte es allerdings Dokumente aus dem Irak, die aufgrund der politischen Lage dort und der Verfolgung der Faili-Kurden nicht mehr auffindbar waren.

Es folgten zahlreiche Besuche bei der Ausländerbehörde. "Es war wie Willkür. Mal sollte meine Mutter monatlich, teilweise sogar dreimal im Monat vorbeikommen, um ihre Duldung verlängern zu lassen. Manchmal war es auch wöchentlich und im schlimmsten Fall sogar täglich", erklärt Tochter Sara. Doch irgendwann stellte sich die Behörde quer: Ohne einen Pass gebe es keine Chance auf eine weitere Duldung. Doch ohne die verschwundenen Dokumente aus dem Irak kann R. auch keinen irakischen Pass beantragen.

Hoffnung keimte auf

Auf Anraten der irakischen Botschaft beantragte Feyruz R. deshalb die iranische Staatsbürgerschaft - es sei nicht unüblich, dass Faili-Kurden aus dem Irak auch Wurzeln im Nachbarland Iran hätten und mit Hilfe der Dokumente der Vorfahren sei es möglich, so einen Pass zu bekommen. Dann stünde auch einer weiteren Duldung nichts mehr im Wege. Doch stattdessen flatterte eine Anzeige ins Haus. Auf Empfehlung eines Anwalts wurde die inzwischen erteilte iranische Staatsbürgerschaft nicht unverzüglich den Behörden mitgeteilt, wie die Familie es beschreibt. Wegen "Erschleichens eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung" wurde R. zu 100 Tagessätzen á 10 Euro verurteilt.

Dennoch keimte daraufhin Hoffnung auf: R. wurde die Chance auf die deutsche Staatsangehörigkeit in Aussicht gestellt. Sie absolvierte daraufhin innerhalb von nur einem Monat einen Sprach- sowie einen Integrationskurs. In einem Schreiben vom 5. Februar 2020, das der Redaktion vorliegt, bittet die Ausländerbehörde R. dann darum, "jeweils mittwochs" zur "Ausstellung/Erneuerung der Duldung" vorzusprechen. Eine herbe Enttäuschung, gibt die Familie zu, die zu diesem Zeitpunkt aber darauf hofft, dass dies nur ein weitere Schritt für eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung ist. Doch nur wenige Wochen später folgt der nächste Tiefschlag.

R. steht vor dem Nichts

"Sie wurden aufgefordert, Deutschland beziehungsweise das Gebiet der Schengen-Staaten zu verlassen", heißt es gleich im ersten Satz. R. müsse in den Iran ausreisen, erklärten ihr die Mitarbeiter der Ausländerbehörde. In ein Land, dessen Staatsangehörigkeit sie im Kampf um eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis annahm, in dem sie aber nie gelebt hatte. In ein Land, in dem sie vor dem Nichts stehen würde. Ohne Wohnung, ohne Beruf, ohne die Familie, die seit mehr als zwei Jahrzehnten fest in Franken verwurzelt ist.

Keine Duldung, keine deutsche Staatsangehörigkeit, sondern die unverzügliche Ausreise bleiben nach jahrelangem Kampf übrig. Seit etwa einem Jahr, seitdem sich die Situation rund um ihre Duldung so verschärft hat, hat R. mit einem Tinnitus zu kämpfen, sie leidet unter Depressionen und Schlafstörungen und ist auf Medikamente angewiesen. Nun, wo sie auch nicht arbeiten kann, könnte sie auch ihren Job verlieren. "Nürnberg ist mein Zuhause, Deutschland ist meine Heimat", betont Feyruz R. und beschreibt Heimat nicht als den Ort, an dem man geboren wurde, sondern als den Ort, an dem sich das Herz zuhause fühlt. Die Familie appelliert nicht nur deshalb an die Behörden und hofft, die Ausreise noch verhindern zu können - damit die Ehefrau, Mutter und Oma weiterhin im Kreise ihrer Liebsten leben kann.