Nach heftigen Protesten: Umbauplan für Lorenzkirche verworfen

11.3.2021, 05:50 Uhr
Die gotische Lorenzkirche ist ein architektonisches Juwel: Pro Jahr zieht sie normalerweise 750.000 Besucher an, im Corona-Jahr 2020 waren es aber nur 200.000 Gäste. 

© imago stock&people Die gotische Lorenzkirche ist ein architektonisches Juwel: Pro Jahr zieht sie normalerweise 750.000 Besucher an, im Corona-Jahr 2020 waren es aber nur 200.000 Gäste. 

Es war ein Paukenschlag im Advent 2020, als Lorenzer Pfarrer, Verantwortliche der Landeskirche und das Architekten-Team die Pläne vorstellten: Ein 24 Meter langes, elf Meter hohes und elf Meter tiefes Bauwerk sollte im Westteil der gotischen Kirche eingepasst werden.

Dort sollte unter anderem Stauraum entstehen, der momentan fehlt: In den Ostchor sind etliche Schränke eingebaut, auch eine weitere Seitenkapelle dient derzeit als Lager.

Provisorien sollten verschwinden

Diese Langzeit-Provisorien sollten verschwinden, um das ursprüngliche "gotische Gesicht der Kirche" wieder deutlicher hervortreten zu lassen, wie Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein erläuterte: "Wir wollen aufräumen, jetzt steht in der Kirche noch zu viel herum."

Auch die ehrenamtlichen Führer und die "Welcomer", welche die Besucher begrüßen, sollten angemessen untergebracht werden. Eine neue Mesnerstube und ein Shop waren in dem neuen, sich selbst tragenden Riesenmöbel ebenfalls vorgesehen.

"Bisher schlimmstes Projekt"

Doch das Vorhaben rief heftigen Widerstand hervor: Unter anderem sprach Stadtheimatpflegerin Claudia Maué vom "bisher schlimmsten Projekt" in ihrer zehnjährigen Amtszeit. Über 70 teilweise sehr ausführliche Mails und Briefe erreichten die Lokalredaktion, die mehrheitlich ihre Ablehnung bekundeten.

Brief an Landesbischof

Gestern kam nun auch noch der Protest von 76 namhaften Experten dazu, der an den evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und die Lorenzer Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein gerichtet ist.

Die Altstadtfreunde haben sich jetzt ebenfalls eindeutig positioniert: Den Einbau des "völlig überdimensionierten Möbels" lehnt der Verein ab, der sich Denkmal- und Stadtbildpflege verschrieben hat.

Auch die Mehrstöckigkeit des Einbaus stellt Vereins-Vorsitzender Karl-Heinz Enderle in Frage: Könnten die Räumlichkeiten für Kirchenführer und andere Ehrenamtliche nicht auch im frisch renovierten, benachbarten Pfarrhof unterkommen?

"Windschleuse" Karolinenstraße

Kritisch sehen die Altstadtfreunde auch die Öffnung des mächtigen Hauptportals zur Fußgängerzone hin: Bereits unter dem früheren Kirchenbaumeister Georg Stolz hatte man einen ähnlichen Versuch unternommen. "Es stellte sich bald heraus, dass es bedingt durch die besondere Lage der Kirche am Ende der 'Windschleuse' Karolinenstraße zu einem deutlich erhöhten Staubeintrag in die Kirche kam", erinnert sich Enderle.


"Öffentliche Einmischung hat sich gelohnt": Ein Kommentar von Hartmut Voigt


Er resümiert: Ein mehrstöckiges "Haus in der Kirche" passt nicht zum grandiosen Gesamtcharakter des Bürgerdoms.

Bauherren wurden nachdenklich

"Wir wollten die Kirche offener machen, den Menschen das Gefühl geben, dass sie hier willkommen sind", sagt Voigt-Grabenstein, " mit einem derart massiven Protest haben wir nicht gerechnet."

Der öffentliche Widerstand hat Kirchenvorstand und Landeskirche nachdenklich werden lassen. Aber auch finanzielle Erwägungen des auf sechs Millionen Euro geschätzten Vorhabens sowie technische Probleme haben nun dazu geführt, dass man das ursprüngliche Vorhaben nun verworfen hat..

"Ergebnisoffen und ohne Zeitdruck"

Die vorliegenden "Planüberlegungen" werden derzeit sehr sorgfältig, ergebnisoffen und ohne Zeitdruck überprüft, heißt es in einer Pressemitteilung - und weiter: Zwischen der Kirchengemeinde und der Landeskirche bestehe völlige Übereinstimmung darin, dass der bisher diskutierte Vorschlag aus architektonisch- konzeptionellen, denkmalschützerischen und funktionalen Gründen so nicht realisierbar ist.

Einen mehrstöckigen Einbau mit Aufzug wird es nicht geben. Doch wie eine kleinere Lösung aussehen kann, daran wird gearbeitet. "Wir haben nichts zu verstecken und wollen nichts geheim halten, wir wollen volle Transparenz", betont Pfarrerin Voigt-Grabenstein, "aber wird sind mit unseren Überlegungen noch lange nicht am Ende."

Eines ist der Geistlichen besonders wichtig: "Wir wollen die Lorenzkirche nicht verschandeln, wir gehen verantwortlich und behutsam mit dem Kirchenraum um."

Zusätzliche Fachleute einbeziehen

Die Bauherren ziehen Konsequenzen: Für die weitere Bearbeitung und Planung werden Fachleute aus verschiedenen Bereichen einbezogen.

Außerdem strebt man eine öffentliche Diskussion an. So informiert ein "Faktenfuchs" Interessierte auf der Website der Lorenzer Pfarrgemeinde über aktuelle Entwicklungen des Projekts.

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