Nach tödlichem Badeunfall: Wie gefährlich ist der Wöhrder See?
24.8.2020, 15:11 UhrDie Bilder erschreckten viele Augenzeugen. In einer Art Menschenkette gingen couragierte Ersthelfer durch die Norikusbucht am Wöhrder See, eng aneinander, um möglichst keinen Zentimeter auf dem Grund auszulassen. Sie suchten am vergangenen Freitagabend gegen 20 Uhr nach einem 17-Jährigen, der nur wenige Momente zuvor unterging. Rettungskräfte positionierten sich am Ufer, ein Polizeihelikopter überflog das Naherholungsgebiet, um aus der Luft zu helfen. Taucher zogen den leblosen Körper zwar aus dem Wasser, eine Notärztin begann sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Doch noch in der Nacht auf Samstag starb der Jugendliche in einer Klinik.
Warum der 17-Jährige plötzlich unterging, ist auch zwei Tage nach dem Vorfall unklar. "Letztlich gehen wir aber nach den Ermittlungen von einem tragischen Unglück aus", sagt Polizeisprecher Michael Prehl auf Nachfrage der Nürnberger Nachrichten. Der Jugendliche sei ins Wasser gegangen um einen Ball zu holen und habe noch auf sich aufmerksam gemacht. Trotz sofortiger Maßnahmen war eine Rettung nicht möglich.
Kaum Strömung in der Norikusbucht
Der junge Mann ist der erste Mensch, der wegen eines Unfalls in der umgestalteten Norikusbucht sein Leben verliert. Das Wasser dort, erklärt das zuständige Amt, sei im Schnitt etwas weniger als zwei Meter tief. Für Nichtschwimmer also durchaus ein Problem, auch wenn viele Stellen deutlich seichter sind.
Wo das Baden in Nürnberg erlaubt und wo verboten ist, regelt eine entsprechende Verordnung. Grundsätzlich, erklärt Manuel Philipp vom Wasserwirtschaftsamt, sei die komplette Pegnitz samt Wöhrder See Sperrgebiet. Vor zwei Jahren aber nahm die Stadt die Norikusbucht von dem Verbot aus - seitdem ist das Schwimmen im Wöhrder See zumindest dort möglich. "Innerhalb der Bucht haben wir überall die gleiche Gefahrensituation", sagt Philipp. "Das Wasser fließt wegen des Dammes und des Einlaufbauwerks ganz gemächlich." Dort gebe es quasi keine Strömung.
Norikusbucht: Rettungskräfte bergen 17-Jährigen leblos aus Wöhrder See
Seit Jahren werkelt das Wasserwirtschaftsamt am Wöhrder See. Der Sandstrand am Nordufer wurde angelegt, die Norikusbucht aufgewertet, die Wasserqualität verbessert. Gerade an Sommertagen tummeln sich Tausende in dem Naherholungsgebiet, einer kleinen Oase mitten in der Stadt.
Wo Strömung und Schlamm zur Gefahr werden
Gefährlich sei das Baden in der Norikusbucht nicht, sagt Philipp vom Wasserwirtschaftsamt. Anderswo im Wöhrder See aber eben schon. "Den Bereich am Wehr mit der Adenauer-Brücke sehen wir als Gefahrenbereich." Genau deshalb gebe es dort Bojen, die den See abgrenzen. "Da ist Strömung und dort ist erkennbar, dass man dort zum Beispiel auch mit dem Tretboot nicht hineinfahren darf."
Auch Miriam Alkov vom Nürnberger Ableger der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hält den Badebereich im Wöhrder See für ungefährlich. Die Wasserqualität sei gut, der Untergrund fest, das Gewässer selbst ruhig. "Aber im See gibt es sonst Stellen, an denen der Boden sehr schlammig ist." Dort könne man stecken bleiben und sich womöglich nicht mehr selbst befreien. "Auch im Bereich des Wehrs herrscht Lebensgefahr."
Badeaufsicht in der Norikusbucht wäre teuer
Hätte ein Aufsichtsdienst etwa mit Rettungsschwimmern das tödliche Unglück verhindert? In den sozialen Netzwerken keimt Kritik auf. "Grundsätzlich", sagt Alkov von der DLRG, "ist Wasseraufsicht immer gut." Doch die Kosten dafür seien hoch, die Umsetzung schwierig. "Wir finanzieren uns hauptsächlich über Spenden." Selbst an den großen Erholungsgebieten etwa im Fränkischen Seenland gebe es nur zu Stoßzeiten, also etwa am Wochenende, einen Aufsichtsdienst. "Wenn die Stadt auf uns zukäme, ließe sich sicher etwas in die Wege leiten", sagt Alkov.
Die rechtliche Pflicht, einen Aufsichtsdienst zu stellen, sieht die Stadt nicht. "Das wurde diskutiert", sagt Robert Pollack vom Ordnungsamt, "das wurde aber nicht als rechtlich erforderlich angesehen." Anders sei das in Frei- oder Naturbädern wie dem Langseebad im Osten der Stadt. "Dort wird eine Badeaufsicht eingesetzt."
DLRG lobt die Ersthelfer
Es gibt in Bayern keine verbindliche Vorschrift, die regelt, wann ein Seeabschnitt wie die Norikusbucht überwacht werden muss und wann nicht. Lediglich die sogenannte Verkehrssicherungspflicht greift. Konkret heißt das: Die Stadt muss Sorge tragen, dass das Gewässer keine Gefährdung für die Allgemeinheit darstellt. Weil es etwa keine Sprunganlagen, Stege oder eine Badeinsel gebe, bestehe keine Aufsichtspflicht, sagt das Wasserwirtschaftsamt.
Die DLRG war an der versuchten Rettungsaktion am Freitagabend nicht beteiligt. "Das, was ich aber aus den Medien mitbekommen habe, erscheint mir vorbildlich", sagt Alkov vom Nürnberger Kreisverband. Gerade dass Ersthelfer sofort eingriffen, sei bemerkenswert. "Von dem, was wir wissen, hätte zumindest der Rettungsversuch nicht besser laufen können."