Nachfrage zu hoch: Nürnberg braucht zweite Wärmestube
28.4.2018, 20:49 UhrIn dem unscheinbaren Haus an der Ecke Köhnstraße/Allersberger Straße verbirgt sich eine Parallelwelt. Neben dem großen Neubau mit den teuren Wohnungen geht das Gebäude fast unter. Es handelt sich um die Ökumenische Wärmestube, in der "es manchmal wie auf einem anderen Planeten zugeht" – so beschreibt Leiterin Manuela Bauer ihre Einrichtung. Menschen, die hier ein und aus gehen, blicken unvermeidlich auf die gegenüber liegenden Wohnungen, die sie sich in diesem Leben wohl nicht mehr werden leisten können. Es sind Menschen, die "aus dem System gefallen sind, am Rande der Gesellschaft stehen".
Das sind mittlerweile viel mehr als noch zur Gründung 1984. Damals wurde die Einrichtung der Träger Caritas und Stadtmission, die von der Stadt Nürnberg gefördert wird, für weitaus weniger Besucher konzipiert. "So, wie die Wärmestube jetzt existiert, schaffen wir den Ansturm nicht mehr", erklärt Sozialpädagogin Bauer, die bei der Caritas angestellt ist.
Die Wärmestube ist Anlaufstelle für Personengruppen, die sich in ganz unterschiedlichen Problemlagen befinden: psychische Erkrankungen, Drogen, Alkohol, Obdachlosigkeit. Nationalität spiele laut Bauer keine Rolle. "Man kann herkommen, wie man ist." Jeder hier habe sein Bündel zu tragen. "Doch das ist auch ein explosives Gemisch." Und es bringe viel Aggression mit sich.
Zu wenig Platz für zu viel Nachfrage
Deshalb ist seit 2017 ein Sicherheitsdienst vor Ort. Der soll bei Konflikten unter den Besuchern – und die kommen häufig vor – beschwichtigen. Diese Aufgabe mussten zuvor die Mitarbeiter der Wärmestube übernehmen. Die wurden dadurch von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten.
Die da wäre: den Bedürftigen tagsüber einen geschützten Raum, einen sozialen Treffpunkt, zu eröffnen. Die Einrichtung bietet Duschen, Waschmaschinen, günstige Getränke sowie kostenloses Essen. Letzteres nehmen – vor allem im Winter – täglich rund 200 Menschen in Anspruch. Und das, obwohl es nur etwa 70 Sitzplätze gibt. "Im Jahr kommen etwa 2000 unterschiedliche Menschen zu uns." Manche verbringen hier ihren ganzen Tag, andere kommen zu den Mahlzeiten. Im Sommer entzerrt der Garten die Masse immerhin etwas.
Hier, zwischen Haus und Bahngleisen, sitzen gerade ein paar Männer auf Bänken und genießen Zigaretten qualmend die Sonne, manch einer liegt da und schläft. Andere spielen Tischtennis oder hirnen angestrengt über einem Schachbrett. Bis das vermeintliche Idyll plötzlich von Geschrei unterbrochen wird. Ein Mann und eine Frau streiten sich, werfen sich gegenseitig Schimpfwörter an den Kopf. Es begann wohl mit einem dummen Spruch. Der Sicherheitsdienst und Bauer greifen ein.
Planungen stehen noch am Anfang
Kurzum: Die Wärmestube benötigt einen zweiten Standort zur Entlastung, fordert Bauer. Und sie brauche mehr Personal: Sieben Mitarbeiter seien viel zu wenig, um sich um die vielen Bedürftigen zu kümmern. Die Betreuung brauche seine Zeit, schließlich kämpfen die Besucher mit großen Problemen. Die Wärmestube bietet nämlich auch Beratung und Krisenhilfe für alle Lebenslagen. Ohne Termin, um die Hürde kleinzuhalten. Da können Bauer und ihr Team derzeit nicht jedem Besucher die Zeit einräumen, die er braucht, gibt sie zu. "Wir müssen eine Balance finden, wie wir trotzdem jedem gerecht werden können."
Das Problem sieht auch Dieter Maly, der Leiter des Sozialamts. Er weiß, dass es in der Wärmestube "drunter und drüber" geht. Ein zweiter Standort sei in Planung. Die Überlegungen stünden aber noch ganz am Anfang. Sicher sei nur, dass auch die zweite Wärmestube Innenstadtlage haben soll. Und: "Wir wollen das Angebot nicht einfach verdoppeln." Vielmehr sollen die unterschiedlichen Personengruppen räumlich getrennt werden, damit es künftig weniger Konfliktpotenzial gebe. Wie genau das aussehen soll, diskutieren alle Beteiligten derzeit. "Und erst dann beginnt der Kampf um die Realisierung." Maly will das Vorhaben im Herbst zur städtischen Haushaltsplanung vorlegen.
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