Neue Zahlen offenbaren: So kriminell war Mittelfranken im vergangenen Jahr

Alexander Brock

Lokales

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9.3.2021, 14:42 Uhr
Erschütternde Ereignisse: Nachdem ein 66-Jähriger am 21. November 2020 in Nürnberg-Gebersdorf zwei Menschen erschoss, sicherten zahlreiche Polizisten und Polizistinnen den Stadtteil.

© ToMa/Grau Erschütternde Ereignisse: Nachdem ein 66-Jähriger am 21. November 2020 in Nürnberg-Gebersdorf zwei Menschen erschoss, sicherten zahlreiche Polizisten und Polizistinnen den Stadtteil.

Es sind zwei Pfeile, die den Polizeipräsidenten des Bezirks Mittelfranken, Roman Fertinger, lächeln lassen. Der eine geht in der aktuellen Kriminalstatistik für Mittelfranken von links oben nach rechts unten. Gemeint sind alle Straftaten, die im Vergleich von 2019 und dem vergangenen Jahr verübt wurden: Die Zahl ist von 84.256 auf 78.745 gesunken. Es ist der niedrigste Wert seit zehn Jahren.

Der andere Pfeil weist dagegen in die entgegengesetzte Richtung, von links unten nach rechts oben. Der angedeutete Anstieg bezieht sich auf die Aufklärungsquote (AQ). Sie liegt für 2020 bei 68,1 Prozent, im Jahr davor lag sie noch bei 67,1 Prozent. Laut Fertinger liegt Mittelfranken damit über dem bayernweiten Durchschnitt. Kein Riesensprung, aber dennoch ein gewisser Erfolg.

Straftaten gegen das Leben

Der kleine Wermutstropfen dabei ist - wie bei der kürzlich veröffentlichten bayerischen und mittelfränkischen Unfallstatistik auch - dass das vergangene Jahr bedingt durch Corona kein "normales" Jahr war. Beim Betrachten der Zahlen muss man das im Hinterkopf behalten.


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Es sind vor allem die Straftaten gegen das Leben, die die Menschen aufwühlen. Dazu zählen beispielweise Mord oder Totschlag, aber auch Tötung auf Verlangen und fahrlässige Tötung. Pickt man den Aspekt "Straftaten gegen das Leben" aus der Statistik heraus, so hat die Sicherheitsbehörde in 2020 in Mittelfranken insgesamt 66 Fälle registriert. Bei Mord findet man 16 (sieben weniger als im Vorjahr), bei Totschlag 29 Fälle (zwölf weniger als im Vorjahr). Ein deutlicher Rückgang.

Schuss in den Kopf der Ehefrau

Trauer im Viertel: In der Bibertstraße und weit darüber hinaus waren die Menschen noch lange nach dem Doppelmord über die blutigen Ereignisse schockiert.

Trauer im Viertel: In der Bibertstraße und weit darüber hinaus waren die Menschen noch lange nach dem Doppelmord über die blutigen Ereignisse schockiert. © Elke Graßer-Reitzner, NN

Und dennoch graben sich spektakuläre Fälle ins kollektive Bewusstsein ein. Wie etwa der im Nürnberger Stadtteil Gebersdorf im vergangenen Herbst: Ein 66-Jähriger richtete am Vormittag des 21. Novembers 2020 in der Bibertstraße eine Schusswaffe auf eine Frau und einen Mann und drückt ab. Laut Polizei suchte der Beschuldigte das Haus auf, in dem seine getrennt lebende Ehefrau (63) wohnte. Ein 62-jähriger Bekannter des Paares stand mit seinem Taxi ebenfalls vor dem Wohnhaus. Ein paar neue Details gibt der aktuelle Sicherheitsbericht der Polizei nun wieder: Die Drei setzten sich für eine Aussprache in das Taxi. Im Verlauf des Gesprächs kam es zu einem Streit zwischen dem Ehemann und seiner Frau. Die 63-Jährige verließ daraufhin den Wagen. Der 66-Jährige stieg aus, verfolgte sie, zückte eine Pistole und schoss ihr in den Kopf. Dann richtete er die Waffe auf den Bekannten im Taxi und feuerte weitere Kugeln ab. Beide Opfer starben an den schweren Schussverletzungen. Der Schütze wurde wenig später von Polizeibeamten noch an Ort und Stelle festgenommen. Derzeit sitzt er in U-Haft und wartet auf seinen Prozess. Laut Polizei besaß der 66-Jährige die Schusswaffe unberechtigt.

Weniger Opfer und Geschädigte

"Natürlich hatte auch die Corona-Pandemie einen Einfluss auf die Fallzahlen, denn die Bewegungsfreiheit potentieller Straftäter war durch die verschiedenen Maßnahmen eingeschränkt", erklärt Polizeipräsident Roman Fertinger. Die Fakten würden dennoch für sich sprechen. So ist ein Rückgang bei der Gewaltkriminalität um 8,1 Prozent, bei der Straßenkriminalität um 4,5 Prozent und bei den Rohheitsdelikten (Körperverletzungen, Raub, Freiheitsberaubung) um 6,4 % zu verzeichnen. Es gebe also auch weniger Opfer und Geschädigte als in den Jahren zuvor.

Den guten Ruf der Polizei, so Fertinger, machten sich im vergangenen Jahr verstärkt Callcenter-Betrüger zu Nutze. "Ganze Straßenzüge wurden abtelefoniert – oftmals unter dem Vorwand, die Kriminalpolizei wäre am Telefon." In 17 Fällen hatten die Gauner Erfolg und brachten manch ältere Opfer um ihr Vermögen: Insgesamt 1,2 Millionen Euro wurden Betrügern übergeben. Eine Reihe von Festnahmen zeigt aber auch, dass sich "falsche Polizeibeamte" nicht in Sicherheit wiegen sollten. Fertinger verweist auch auf die Präventionskampagnen der Polizei. "Die zeigen Wirkung, denn viele potentielle Geschädigte waren bereits gewarnt und gingen den Betrügern nicht auf den Leim".

Festnahme von 100 Drogenhändlern

Erfolge gab es auch bei der Ermittlung in der Drogenkriminalität. Den Höhepunkt des Jahres markierten laut Fertinger "die Sicherstellung von 63 Kilogramm Amphetamin in Nürnberg und die Festnahme von fünf Tatverdächtigen". Insgesamt beschlagnahmten mittelfränkische Drogenfahnder deutlich mehr Amphetamin, Methamphetamin und Kokain als im Jahr zuvor. "Allein in Nürnberg wurden im Jahr 2020 außerdem mehr als 100 Straßendealer und Drogenhändler festgenommen und anschließend ein Haftbefehl erlassen."

Darüber hinaus konnten Serien von Sabotageakten an Maishäckslern, Erpresserschreiben gegen Personaldienstleistungsunternehmen, Kfz-Aufbrüche durch eine Diebesbande, internationale Callcenter-Betrügereien durch eine Tätergruppierung aus dem Kosovo, die Machenschaften eines Nürnberger Hehlerrings und ein blutiger Messerangriff auf einen Gerichtsvollzieher im letzten Jahr durch mittelfränkische Ermittler geklärt werden.

Blickt man in der Statistik auf "nichtdeutsche Tatverdächtigen" (TV), sank ihr Anteil leicht von 36,3 Prozent im Vorjahr auf aktuell 36,2 Prozent. Zugleich stieg der Bevölkerungsanteil dieser Gruppe in Mittelfranken von 14,2 Prozent im Vorjahr auf aktuell 14,6 Prozent. Die Anzahl der "nichtdeutschen TV" sank laut Statistik parallel zur ebenfalls sinkenden Zahl der Gesamt-Tatverdächtigen kontinuierlich weiter auf den niedrigsten Wert seit 2016.

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