Neues Prostitutionsgesetz: Was bringt die Kondompflicht?
11.2.2016, 11:39 UhrSexarbeiterinnen müssen sich ab Juli 2017 bei einer Behörde melden und regelmäßig zur Gesundheitsberatung, Bordellbetreiber werden überprüft, bevor sie eine Zulassung bekommen. NZ-Redakteurin Julia Vogl hat mit Bärbel Ahlborn von Kassandra, einem Verein, der sich für die Belange der Sexarbeiterinnen einsetzt, über die neuen Regelungen gesprochen.
NZ: Frau Ahlborn, ab Juli 2017 gilt die Kondompflicht. Was halten Sie davon?
Bärbel Ahlborn: In Bayern sieht die Hygieneverordnung schon jetzt vor, dass Kondome benutzt werden. Die Verantwortung dafür liegt jedoch beim Dienstleister. Die Frauen werden dafür bestraft, wenn sie diese Ordnungswidrigkeit begehen. Das ist ein Problem. Die Nachfrage nach ungeschütztem Verkehr kommt schließlich vonseiten der Kunden. Das neue Gesetz stärkt die Frauen in dieser Hinsicht. Es sieht nämlich vor, dass die Kunden bestraft werden. Freilich bleibt die Problematik der Kontrolle nach wie vor bestehen, die Regelung verhilft den Dienstleisterinnen jedoch zu einer symbolischen Rechtsstärkung.
NZ: Was halten Sie von der geplanten Meldepflicht?
Ahlborn: Das geplante Gesetz lässt dabei leider viele Bereiche offen. Bei welcher Behörde die Meldung erfolgen muss, ist ungeklärt. Die Polizei sollte als zuständige Behörde ausgeschlossen werden. In einigen Städten werden Sexarbeiterinnen von der Polizei erkennungsdienstlich erfasst. Dies führt bei den Frauen zu Irritationen und zerstört den vertrauensvollen Ansatz, den das Gesetz eigentlich haben soll. Außerdem ist eine Sondermeldepflicht eine Diskriminierung gegenüber anderen Berufsgruppen.
NZ: Sexarbeiterinnen sollen künftig regelmäßig zur Gesundheitsberatung. Was bringt das?
Ahlborn: Das Vermengen von Überwachungs- und Beratungsmaßnahmen ist immer schwierig. Verpflichtende Beratungen können das Vertrauensverhältnis stören, das zwischen Sexarbeiterinnen und Beratern herrscht. Und es stört auch das Vertrauen zur Gesundheitsbehörde, die – wie auch in Nürnberg – anonyme und kostenlose Beratungs- und Untersuchungsangebote macht.
NZ: Bordellbetreiber werden künftig auf ihre Zuverlässigkeit geprüft. Hilft das dabei, Ausbeutung zu verhindern?
Ahlborn: Das funktioniert so ähnlich wie im Gaststättengewerbe. Da muss man auch ein Führungszeugnis vorlegen, um eine Schankerlaubnis zu bekommen. Ob das Missbrauch verhindern kann, kann ich nicht beurteilen. Dazu müsste man die Zahlen aus dem Gaststättengewerbe kennen. Wer aber kriminelle Energie hat und diese nutzen möchte, der wird immer Mittel und Wege finden, um das zu tun.
NZ: Gibt es auch Sexarbeiterinnen, für die das geplante Gesetz ein Nachteil sein könnte?
Ahlborn: Die Genehmigung von Prostitutionsstätten wird von bestimmten Auflagen abhängig gemacht – das ist problematisch, etwa wenn sich eine Frau mit zwei Kolleginnen eine Wohnung teilt. Das könnte nach der geplanten Neuregelung als eine solche Stätte gelten. Die Frauen müssten dann verschiedene Auflagen erfüllen, um weiter so arbeiten zu dürfen. Dabei arbeiten viele schon aus Sicherheitsgründen nicht gern allein in Wohnungen.
Wir von Kassandra wünschen uns eine Ausnahmeregelung. Sexarbeiterinnen sollen die Möglichkeit haben, an ein oder zwei weitere Personen zu vermieten und sich die Kosten zu teilen, ohne Auflagen erfüllen zu müssen. Damit könnten diese sehr selbstbestimmten Arbeitsplätze erhalten werden und die Monopolstellung von großen Bordellbetrieben eingeschränkt werden.
NZ: Wenn Sie Wünsche frei hätten, welche wären das?
Ahlborn: Ich möchte eine Regelung, die an die anderer Berufe angelehnt ist, auch wenn Prostitution kein Beruf wie jeder andere ist. Sexarbeiterinnen sollen unter einer neutralen Bezeichnung ein Gewerbe anmelden dürfen, ohne dass dies zu einem Zwangsouting führt. Die Gewerbeämter melden das wie bei anderen Selbstständigen automatisch an die Finanzämter weiter.
Ich hätte auch nichts dagegen, wenn es eine Möglichkeit gäbe, bei der Gewerbeanmeldung Informationen zu dem Beruf, zu Beratungsmöglichkeiten, Anlaufstellen und Rechten weiterzugeben. Kostenlose und anonyme Gesundheitsberatungen und Untersuchungen sollten ausgebaut werden, allerdings ohne die Frauen dazu zu verpflichten.
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