Nürnberg bekommt ein neues Stadtviertel
6.3.2014, 06:00 UhrNoch ist nichts unterzeichnet. Der Stadtplanungsausschuss muss den ausgehandelten Rahmenvertrag am 27. März beschließen, die Mitglieder erhalten die Unterlagen in den nächsten Tagen. Erst wenn der Ausschuss zustimmt, folgt die Unterschrift. Dass die Stadt Nürnberg und die Firma Aurelis, die Eigentümerin des Areals, tatsächlich Vertragspartner werden, daran hat Michael Ruf, der wissenschaftliche Mitarbeiter von Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), keinen Zweifel.
Warum auch – handelt es sich bei dem rund 95 Hektar großen Gelände doch um eine der umfangreichsten Quartiersentwicklungen Deutschlands, die nun endlich möglich wären. Das ist eine Fläche, fast so groß wie die Nürnberger Altstadt. Bereits seit 2001 laufen Gespräche, die sich in der Folgezeit aber zäh wie Kaugummi hinzogen. In den zahlreichen Verhandlungsrunden ging nichts voran: weil die Planungskonzepte zur Wohnbebauung wegen Problemen mit Lärm und Verkehr immer wieder geändert wurden, weil die Aurelis GmbH stets auf eine größere Wirtschaftlichkeit bei der Vermarktung der Fläche gehofft hatte – weniger Grün, mehr Gewerbe.
Davon ist die Firma aber schließlich abgerückt. Wohl auch, weil die Marktsituation in Nürnberg nun einmal eine andere ist als etwa in München. So entsteht in der Landeshauptstadt auf der zentralen Bahnachse zwischen Pasing und Hauptbahnhof das „Stadtquartier Am Hirschgarten“, das 270.000 Quadratmeter groß ist und sehr erfolgreich vermarktet wird: Laut Grundstückseigentümerin Aurelis wurden bereits drei Jahre vor dem geplanten Termin sämtliche Wohnbaufelder verkauft.
Ein Drittel Wohnen
In Nürnberg dagegen haben sich die Stadtspitze und Aurelis darauf geeinigt, dass das Gelände zu einem Drittel dem Wohnen vorbehalten sein soll und zu einem Drittel Gewerbe und Dienstleistung. Auf dem restlichen Drittel von 28 bis 32 Hektar entsteht der Vereinbarung nach Grünfläche, einschließlich eines Stadtteilparks mit mindestens sieben Hektar. Umweltreferent Peter Pluschke zeigt sich zufrieden: „Ich freue mich darauf, dass in diesem Stadtteil dem städtischen Grün eine wesentliche Rolle zukommt.“
Für die neuen Bewohner sollen Reihen-, Doppel und Mehrfamilienhäuser entstehen. Die nötige Erschließung beginnt vom Stadtviertel Hasenbuck aus. Um den neuen Stadtteil an den öffentlichen Personennahverkehr anzubinden, wird die Straßenbahnlinie 8 verlängert. Derzeit endet sie an der Tristanstraße.
Entscheidung fällt bis 2018
An der Münchener Straße ist eine „Joker-Fläche“ vorgesehen, erklärt Michael Ruf. Hier kann sich sowohl Wohnen als auch Gewerbe ansiedeln – je nachdem, wie die Marktlage dann aussieht. Bis 2018 haben die Vertragspartner Zeit, das zu entscheiden. Eine nicht näher bestimmte Teilfläche im Süden hat sich nach Angaben der Stadt außerdem die NürnbergMesse reserviert.
Bis die ersten Bewohner einziehen können, wird es noch dauern. Auf „Minimum 15 Jahre“ schätzt Michael Ruf die Vorbereitungszeit. Sollte der Stadtplanungsausschuss dem Rahmenvertrag zustimmen, wäre der nächste Schritt ein städtebaulicher Wettbewerb. Schon im April könnte die Firma Aurelis diesen ausloben, in der zweiten Jahreshälfte würden Architekten und Architektenbüros ihre Vorschläge einreichen und zum Jahresende stünde dann das Ergebnis fest: So sieht das neue Stadtviertel im Detail aus. Mit der Vereinbarung haben Stadtspitze und Aurelis einen „Meilenstein“ erreicht, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem Rathaus.
Kritik kommt von der CSU: „Ein Jahrzehnt hat es gedauert, bis ein Rahmenvertrag entsteht – erfolgreiche Stadtentwicklung sieht anders aus“, betont CSU-Fraktionschef und OB-Kandidat Sebastian Brehm. Er vermutet hinter der guten Nachricht, die „überraschend kurz vor der Kommunalwahl“ am 16. März verkündet wurde, ein Wahlkampfmanöver: „Es hat schon einen merkwürdigen Beigeschmack, wenn man eine Woche vor der Kommunalwahl ein Thema, an dem seit zwölf Jahren herumdiskutiert wird, als gelöst präsentiert.“ Wirtschaftsreferent Michael Fraas (CSU) bekräftigt: „Wir hätten dieses Ergebnis bereits vor Jahren haben können.“
Fraas: "Es muss schneller gehen"
In Zukunft, so Fraas, müsse es „schneller gehen“, auch bei anderen drängenden Themen des Wirtschaftsstandorts Nürnberg müsse man „zügig“ auf die Positionen des Wirtschaftsreferat einschwenken. In diesem Zusammenhang verweist er auf die ehemalige Foto-Quelle in der Thomas-Mann-Straße 50. In dem Gebäude, dessen Revitalisierung sein Referat seit langem begleite, stehen Veränderungen an. So wird unter anderem ein Vollsortiment-Supermarkt einziehen, um das Quartier zu versorgen. Dies war stets eine Forderung der Anwohner.
Die SPD-Stadtratsfraktion zeigt sich selbstverständlich „hoch erfreut“ über die Einigung mit Aurelis. Fraktionsvorsitzender Christian Vogel: „Wir stehen im Stadtrat bereit, um die Erschließung sicherzustellen und die Rahmenbedingungen zu schaffen.“ Hartmut Beck, der Stadtrat der Freien Wähler, hofft: „Angesichts des drängenden Bedarfs an bezahlbarem Wohnraum könnte die Bebauung dieser großen Fläche zu einer deutlichen Entspannung am Wohnungsmarkt beitragen.“
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