Nürnberg: "Es könnte zu einer Stichwahl kommen"
13.3.2014, 16:00 UhrWas ist an diesem Wahlkampf anders?
Reinhard Wittenberg: Ulrich Malys Stellung. Ich will nicht sagen, dass er über allem schwebt – aber er vermittelt schon das Gefühl, eine herausgehobene Stellung zu haben. Deswegen kommen von ihm weniger Beiträge zur Tagespolitik als von seinen Herausforderern.
Hat Maly diese herausgehobene Stellung auch bei der Bevölkerung?
Wittenberg: Ich meine schon. Dass das ins Auge gehen kann, zeigt das Beispiel von Peter Schönlein 1996. Der hatte einen Amtsbonus, hat aber trotzdem gegen Ludwig Scholz von der CSU verloren. Das Gleiche ist dann Scholz 2002 mit Maly passiert. Es kommt stark auf die Mobilisierung der jeweiligen Anhängerschaft an.
Kann Maly das auch passieren?
Wittenberg: Eher nicht, aber es könnte immerhin zu einer Stichwahl kommen. Der OB hat acht Herausforderer, wenn da jeder nur ein paar Punkte bekommt, fehlen Hauptherausforderer Sebastian Brehm und Maly gleich zehn oder fünfzehn Prozent.
Hätte der CSU-Kandidat Brehm bei einer Stichwahl eine Chance?
Wittenberg: Ich denke, dass er wenig Chancen hätte. Ulrich Maly kann sich hervorragend verschiedenen Bevölkerungsgruppen anpassen. Er ist unter Wissenschaftlern gut gelitten, aber auch auf dem Volksfest zu Hause.
Was sind Ihrer Ansicht nach die Hauptthemen vor dem 16. März?
Wittenberg: Auf jeden Fall die Verkehrspolitik und die Bildung. Außerdem der Bereich Wohnen: 5000 neue Wohnungen sagen die einen, 15.000 die anderen.
Aus Sicht Ihrer Studien: Glauben die Leute solche Zahlen?
Wittenberg: Die Leute sind da eher skeptisch. Sie wissen aus eigener Erfahrung, dass die Umsetzung solcher Ankündigungen unwahrscheinlich ist.
Wohnen, Verkehr, Bildung – ändern sich die Themen von Wahl zu Wahl überhaupt?
Wittenberg: Bildung ist stärker in den Fokus gerückt. Das liegt am Arbeitskräftemangel, der durch den demografischen Wandel kommen wird.
Unterscheiden sich die Parteien überhaupt noch spürbar?
Wittenberg: Ich denke schon. Die CSU etwa will offenbar den motorisierten Verkehr bevorzugen. Andere Parteien legen mehr Wert auf den ÖPNV, Fahrrad- oder Fußwege.
2008 haben nur 50,1 Prozent der Bürger gewählt. Wie erklären Sie sich, dass die Wahlbeteiligung immer weiter zurückgeht?
Wittenberg: Es gibt einen Rückzug auf das Private. Man kümmert sich nicht mehr um öffentliche Angelegenheiten, sondern nur noch um das, was einen etwa als Familie oder Freundeskreis direkt betrifft.
Woran mag das liegen?
Wittenberg: An veränderten Familienstrukturen — man denke an die vielen Single-Haushalte in Nürnberg. Aber auch Vereinsmitgliedschaften gehen zurück und werden durch Fernsehen, Computer und Smartphones verdrängt. So nimmt das Verantwortlichsein für andere ab.
Sie wurden im Mai 2012 offiziell verabschiedet, sind aber noch täglich in der Findelgasse anzutreffen – geht es nicht ohne die Uni?
Wittenberg: (lacht) Es geht überhaupt nicht ohne Uni! Ich mache weiterhin Forschung. Ich untersuche, wie die Blaue Nacht bei den Besuchern ankommt oder was unsere Absolventen nach dem Studium machen.
Was sind Ihre nächsten Projekte?
Wittenberg: Um das Jahr 2000 habe ich die Schwangerenkonfliktberatung in Nürnberg analysiert. Diese Studien würde ich gerne wiederholen und bayernweit gucken, was sich verändert hat.
Ihr Wunsch an die Politik?
Wittenberg: Nürnberg muss eine lebenswerte Stadt bleiben. Ein Konzertsaal ist nicht so wichtig wie eine grüne Altstadt – gerade zu Zeiten des Klimawandels.
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