Nürnberg: Für 30 Diplomatenautos gelten eigene Gesetze

Johannes Handl

Lokalredaktion

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6.3.2018, 10:45 Uhr
Stellt ein Mitarbeiter der kommunalen Verkehrsüberwachung fest, dass es sich bei einem Falschparker um ein Diplomatenfahrzeug handelt, lässt er das Knöllchen stecken.

© Bernd Wüstneck/dpa Stellt ein Mitarbeiter der kommunalen Verkehrsüberwachung fest, dass es sich bei einem Falschparker um ein Diplomatenfahrzeug handelt, lässt er das Knöllchen stecken.

Es war ein Vorfall, der viele Menschen fassungslos machte. Im Juni 2017 parkt ein saudischer Diplomat in Berlin seinen Sportwagen nicht nur im absoluten Halteverbot, sondern auch auf einem Radweg. Als er seine Tür aufreißt, prallt ein Fahrradfahrer dagegen. Der Radler trägt keinen Helm, stürzt und verletzt sich so schwer, dass er später im Krankenhaus verstirbt. Zu einer Ermittlung wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung kommt es nicht. Polizei und Staatsanwaltschaft sind die Hände gebunden. Als Gesandter kann der Botschaftsmitarbeiter nicht belangt werden, er genießt diplomatische Immunität.

Haben Fahrer von Autos mit Diplomatenkennzeichen also nichts zu befürchten? "Grundsätzlich gilt, dass sich Diplomaten an die Gesetze des Empfangsstaates zu halten haben. Es gibt für sie keine Sonderregelungen", erklärt Michael Petzold, Pressesprecher am Polizeipräsidium Mittelfranken. Entscheidend ist aber sein nächster Satz: "Aufgrund des geschützten Status können Verstöße von Diplomaten jedoch nicht verfolgt werden." Laut Wiener Übereinkommen von 1961 genießen Diplomaten Immunität von der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaats. Darüber hinaus stehen ihnen Immunität vor dessen Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit zu.

In Nürnberg sind ungleich weniger Autos mit Diplomatenkennzeichen unterwegs als in der Hauptstadt oder in Bonn, wo noch immer mehrere Ministerien ihren ersten Dienstsitz haben. Doch auch hier sind solche Fahrzeuge immer wieder zu beobachten. Erst kürzlich stand eine Nobelkarosse mit Sonderkennzeichen wochenlang in der Bertastraße in Gleißhammer.

Der Stadt sind derzeit 30 Konsulatskennzeichen bekannt, wie die KFZ-Zulassungsstelle mitteilt. Für Berufskonsularbeamte gilt hinsichtlich der Immunität dasselbe wie für Diplomaten. Allerdings sind sie, Stichwort Amtsimmunität, nur dann von der Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit befreit, wenn sie konsularischen Aufgaben nachgehen. Honorarkonsuln genießen lediglich Amtshandlungsimmunität. Fahrten zum Dienst sind davon ausgeschlossen.

Vor Willkür schützen

In den Jahren 2008 bis 2017 hat die Polizei in Nürnberg sechs Fahrzeuge mit Diplomatenkennzeichen bei Geschwindigkeitskontrollen und vier Autos als Falschparker erfasst. Spezielle Recherchen darüber, an wie vielen Verkehrsunfällen Wagen mit Diplomatenkennzeichen beteiligt waren, kann die Polizei laut eigener Aussage nicht anstellen.

Das Wiener Übereinkommen soll gewährleisten, dass Diplomaten, Konsularbeamte und ihre Familien vor der strafrechtlichen Willkür der Regierungen im Gastland geschützt werden – so wird Diplomatie vielerorts überhaupt erst möglich. Gleichzeitig treiben die Regelungen seltsame Blüten.

Beispiel Falschparker: Parkt ein Auto mit Diplomatenkennzeichen im Halteverbot, darf laut Petzold kein Strafzettel angebracht werden, sondern nur ein Hinweis, dass das Fahrzeug unzulässig abgestellt wurde. Ein Fahrzeug, das einem Diplomaten gehört, darf grundsätzlich nicht abgeschleppt werden. Behindert ein Diplomatenfahrzeug während eines Brandes die Feuerwehreinfahrt und ist Gefahr in Verzug, ist es aber möglich, das Fahrzeug abzuschleppen. "Kosten gegen den Diplomaten können erhoben, jedoch nicht vollstreckt werden", erklärt Petzold.

Haftplichtversicherung greift

Ähnlich sieht es bei Geschwindigkeitsverstößen aus: Die Messungen werden an die Bußgeldstelle weitergeleitet, der Verstoß mit einem entsprechenden Schreiben an die jeweilige Botschaft weitergeleitet. Ob die Geldbuße bezahlt wird, liegt laut Petzold aber im Ermessen der jeweiligen diplomatischen Vertretung.

Und was ist, wenn mir ein Diplomat in meinen Wagen fährt? "Grundsätzlich kann es nie schaden, bei Verkehrsunfällen die Polizei hinzuzuziehen", sagt Petzold. Laut Auswärtigem Amt kann sich der Geschädigte aber wie bei jedem Unfall an die Haftpflichtversicherung des Verursachers wenden.

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