Nürnberg hält 2020 Erinnerung an die Pogromnacht klein
10.11.2020, 15:29 UhrGedenkveranstaltungen können in diesem Jahr kaum begangen werden. Das betrifft auch das Erinnern an die Pogromnacht von 1938. Es soll – coronabedingt – in kleinem Rahmen stattfinden. Dass das bisher noch nicht ausreichend kommuniziert wurde, beklagt SPD-Stadträtin Diana Liberova.
"Die Nacht der Schande" – so nannte Arno Hamburger, der frühere Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, die Reichspogromnacht. Am 9. November 1938 zog ein von den Nationalsozialisten aufgestachelter Mob durch deutsche Städte und verwüstete, zerstörte und brandschatze jüdische Einrichtungen. Hunderte Juden wurden ermordet. An diesem Tag wurde aus Ausgrenzung und Diskriminierung Gewalt – legitimierte Gewalt, die unter anderem Millionen Juden bis zum Kriegsende 1945 das Leben kostete. Auch in Nürnberg, Fürth und Erlangen zündeten die Nazis die Synagogen an und zerstörten jüdische Geschäfte. Juden wurden verhaftet, deportiert, ermordet.
Im allerkleinsten Kreis
Jedes Jahr wird dieser Nacht auf dem jüdischen Friedhof gedacht, es sind stets viele Teilnehmer erwünscht und willkommen. Doch durch die Corona-Einschränkungen muss und will man seitens der Stadtverwaltung und der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Menschenansammlungen verhindern. Dennoch soll es am kommenden Sonntag – im allerkleinsten Kreis – eine Kranzniederlegung geben. Auch werden Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sowie Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der IKG, eine Rede halten. Diese soll dann aufgezeichnet werden und auf der Homepage der Stadt und der IKG als Video abrufbar sein.
Bekannt gemacht hatte dieses Vorhaben bisher aber weder die Stadt noch die IKG. Das fiel Diana Liberova auf. Die SPD-Stadträtin äußerte sich am gestrigen 10. November auf Facebook dazu: "Ich finde es schade und bin traurig, dass die Stadt Nürnberg in diesem Jahr keine Gedenkveranstaltung an die ,Nacht der Schande‘ abhielt. Zumindest habe ich nichts davon mitbekommen. Das Gedenken ist ein Teil des ,Nie wieder‘ und ein Muss für die Stadt, wo Julius Streicher seine Propaganda ausprobierte und zum Teil perfektionierte. (. . .)" Liberova stört auch, dass es im Vorfeld des 9. November weder ein (der Situation angepasstes) Statement noch eine Diskussion zu Alternativen auf städtischer Ebene gegeben habe, sagt sie auf Nachfrage.
Ich finde es schade und bin traurig, dass die Stadt Nürnberg in diesem Jahr keine Gedenkveranstaltung an die “Nacht der...
Gepostet von Diana Liberova am Montag, 9. November 2020
Gedacht wird erst am Sonntag
Der Eindruck Liberovas könnte durch zwei Faktoren begünstigt sein, sagt Jo-Achim Hamburger: Zum einen ist es so, dass schon seit Jahrzehnten die Gedenkveranstaltung immer am Sonntag nach dem 9. November stattfindet – dieser ist im laufenden Jahr aber erst sechs Tage später. Zum anderen verhindere Corona eine Teilnahme der Bürger daran. "Ich muss da den OB in Schutz nehmen. Er ist der erste OB, der das Gedenken in einer solchen Situation ermöglichen will", so Hamburger.
Oberbürgermeister König stellt ebenfalls klar, dass er schon seit September in Kontakt mit der IKG stehe, um ein angemessenes Gedenken zu ermöglichen. Aber es werde keine öffentliche Veranstaltung geben. Er habe auch darauf vertraut, dass die IKG, die bei der Gedenkveranstaltung federführend sei, die Ankündigung übernehme.
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