"Nürnberg ist hässlich – das kann aber ganz schön sein!"
25.11.2013, 07:00 UhrEin Teil der gesammelten Fotografien ist nun in einer Ausstellung zu sehen: "Nürnberg ist hässlich – das kann aber ganz schön sein!". 2002 kam der gebürtige Hannoveraner von Berufs wegen nach Nürnberg. Die Fotografie betrieb er zu diesem Zeitpunkt nur als Hobby, ein bisschen nebenbei, zur Entspannung, hatte aber „immer schon einen Fokus auf Stadt-Ästhetik“.
Im Lauf der ersten Jahren fiel ihm auf: „Die Leute hier leben zwar einen wahnsinnigen Lokalstolz, aber das spiegelt sich nicht sonderlich im Stadtbild wider.“
Als schmucklos und bieder empfand der 36-Jährige seine Wahlheimat, eher „wie eine Ruhrpottstadt“. Je länger Murschall in Nürnberg lebte, je öfter er durch die Straßen streifte und sich alles ganz genau anschaute, desto missmutiger wurde er. „2006 habe ich dann meinen Blog gegründet, quasi als Selbsthilfegruppe für mich“, verrät er schmunzelnd, und dass er anfangs aus purer Provokationslust absichtlich die hässlichsten Fotos gepostet und gelästert habe, es ihm Spaß machte, mit dem Spannungsbogen zu kokettieren.
„Rückblickend muss ich freilich sagen, dass das unreflektiert und dumm war, so macht man sich in einer neuen Stadt schließlich nicht gerade Freunde. Andererseits fand ich damals schon die Diskussionen spannend, die sich aus den Beiträgen ergeben haben.“ Nach zehn Jahren in Nürnberg, sagt Murschall, habe er die Mechanismen und damit die Stadt als Ganzes besser verstanden.
Geändert am kritischen Blick zumal auf die Architektur hat sich dennoch nicht prinzipiell etwas, die subjektiven Eindrücke des „architektonischen Laien“ finden sich weiterhin im Blog. Einfach nur grantiges Gelästere? Mitnichten. Was Dirk Murschall sagt, hat durchaus Hand und Fuß. „Ich finde es beispielsweise beachtlich, dass es hier so wenig Industriekultur gibt und die Stadt nach und nach ihre Verbindungen zur industriellen Vergangenheit einfach kappt“, sagt er und führt Beispiele wie den Deutschen Hof, das alte Straßenbahndepot oder den Milchhof an, auf dem eine seiner eindrücklichsten Fotografien entstanden ist: „Ihr planiert die Seele der Stadt“ war dort als riesiges Graffiti im Hintergrund lange zu lesen.
Dass Denkmalgeschützte Gebäude in Nürnberg abgerissen werden, ist Murschall ein Dorn im Auge. „Ich meine, dann könnte man doch auch mal die Frauenkirche abreißen und stattdessen einen Aldi bauen“, sagt er, und weiß freilich, dass das provokant ist, aber: „Eine Stadt sollte viel über sich diskutieren, und ich habe den Eindruck, dass das hier nicht wirklich stattfindet.“
Die aktuelle Ausstellung nun beschäftigt sich, wie der Titel schon sagt, mit Murschalls anderem Steckenpferd: „Die Ästhetik des Hässlichen spricht mich an – und davon gibt es in Nürnberg genug.“ Man muss nur genau hinsehen, und das tut er. Interessiert sich neben sogenannten „Lost Places“ wie dem alten Volksbad für Bausünden, die er als „funktionsprofane Architektur“ bezeichnet und schimpft, dass Architektur nur dann gut ist, wenn sie auch gut altert. Dass Kunst im Öffentlichen Raum hier gar nicht stattfindet, trotz der angesehen Akademie der Bildenden Künste. Fotografiert schmuck- und lieblose Fassaden, „von denen es ja beispielsweise in der Südstadt mehr als genug gibt“, vernachlässigte Hinterhöfe, verwaiste Balkone, Ansätze von Gentrifizierung und das bisschen Protest dagegen.
Freilich ist mitnichten alles hier schlecht, sonst wär’ er doch längst weg, sagt Murschall, und die Provokationslust blitzt ihm aus den Augen, wenn er Bilder zeigt, die den Verdacht nahelegen, dass man eine Stadt aber halt auch absichtlich unsexy zeigen kann. Die aber auch Dinge zutage fördern, die „diejenigen erstaunen lassen, die glauben, dass man in Nürnberg in einer bürgerlichen Arbeiterstadt ohne abgefahrenen Scheiß, Feinsinniges und Schöngeistiges wohnt.“
Bis 6. Dezember, „Vertikale Werkstatt“, Gartenstraße 2, Öffnungszeiten nach Absprache unter Tel: 0911/92389376, auf der Facebook-Seite und jeden Sonntag bis einschließlich dritten Advent ab 14 Uhr;
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