Sorge für Senioren
"Nürnberg rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu" - Studie mit drastischen Zahlen
15.03.2025, 05:00 Uhr
Der demografische Wandel hinterlässt deutliche Spuren auf dem Wohnungsmarkt in Nürnberg. Bis 2035 soll die Zahl der Menschen im Ruhestand auf rund 105.800 steigen, wie eine aktuelle Untersuchung des Pestel-Instituts zeigt. Besonders die Generation der Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge der deutschen Nachkriegszeit, geht bald in Rente - doch der Wohnungsmarkt ist darauf nicht vorbereitet.
Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, warnt vor einer drohenden Wohnungsnot für Seniorinnen und Senioren: "Der Wohnungsmarkt in Nürnberg ist mit der neuen Rentnergeneration der geburtenstarken Jahrgänge komplett überfordert." Schon heute sei der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum enorm, doch in den kommenden Jahren werde sich die Situation zunehmend verschlimmern. "Oder anders gesagt: Nürnberg rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu", so Günther.
Zahlen verdeutlichen den Handlungsbedarf
Der Leiter des Pestel-Instituts nennt dazu konkrete Zahlen: So gibt es aktuell rund 273.800 Haushalte in Nürnberg - in 28 Prozent davon leben Senioren. Laut Pestel-Institut fehlen bereits jetzt rund 17.900 barrierefreie Wohnungen für ältere Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Bis 2045 wird der Bedarf auf rund 22.700 steigen. Notwendig sind insbesondere Wohnungen mit bodengleichen Duschen, stufenlosem Zugang und ausreichend Platz für Rollstühle oder Rollatoren.
Die Stadt Nürnberg ist sich der Problematik bewusst: "Die Stadt weiß um die hohe Nachfrage nach seniorengerechten Wohnungen", bestätigt Andrea Heilmaier, Wirtschafts- und Wissenschaftsreferentin auf Nachfrage unserer Redaktion. Regelmäßige Erhebungen zur Bevölkerungsentwicklung und Bürgerbefragungen zeigen diesen Trend. "Die Lage auf dem Nürnberger Wohnungsmarkt ist seit Jahren sehr angespannt und hat sich seit 2022 nochmals spürbar verschärft", erklärt Heilmaier.
Barrierefreie Wohnungen sind dabei nicht nur für ältere Menschen relevant. Auch Menschen mit Behinderungen sind darauf angewiesen - und Familien profitieren ebenfalls davon, weiß Günther, "schließlich kommt man mit einem Kinderwagen genauso gut durch breite Türen und schwellenlose Räume wie mit einem Rollator." Der tatsächliche Bedarf an altersgerechtem Wohnraum dürfte also noch deutlich höher sein.
Finanzielle Hürden für ältere Mieter
Neben der knappen Verfügbarkeit von Wohnungen spielt auch die finanzielle Situation vieler Seniorinnen und Senioren eine Rolle. Die durchschnittliche Kaltmiete in Nürnberg liegt derzeit bei rund 8,20 Euro pro Quadratmeter. Doch 69 Prozent der älteren Mieterhaushalte wohnen günstiger - etwa 26.200 Haushalte zahlen, laut Angaben des Pestel-Instituts, derzeit weniger als die Durchschnittsmiete. Das zeigt, dass viele Senioren auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.
Wie der Verband Bayerischer Wohnungsunternehmen e.V. (VdW Bayern) mitteilt, ist der Wohnungsbau sozial orientierter Wohnungen in Mittelfranken allerdings stark zurück gegangen. Im Jahr 2024 seien nur 262 geförderte Wohnungen fertiggestellt worden - zum Vergleich: Im Jahr 2021 waren es noch 842. Insgesamt würden laut VdW rund 200.000 bezahlbare Wohnungen in Bayern fehlen.
Rund 60 Prozent der Bevölkerung in Nürnberg haben Anspruch auf geförderte Wohnungen. Wie die Wirtschafts- und Wissenschaftsreferentin von Nürnberg erklärt, können Menschen innerhalb einer bestimmten Einkommensgrenze außerdem Zuschüsse von bis zu 10.000 Euro für bauliche Maßnahmen erhalten, beispielsweise für spezielle Rampen, Treppenlifte oder den barrierefreien Umbau des Badezimmers.
Bau von Wohnprojekten soll Abhilfe schaffen
Um der Wohnungsnot in Nürnberg entgegenzuwirken gibt es Neubauprojekte, die speziell auf Senioren ausgerichtet sind. So hat 2024 beispielsweise das Evangelische Siedlungswerk in der Webersgasse "ein Wohngebäude mit 50 geförderten, barrierefreien Wohneinheiten für Seniorinnen und Senioren errichtet", erklärt Heilmaier. Der Freistaat Bayern habe das Bauvorhaben im Rahmen der einkommensorientierten Förderung mit rund 1,8 Millionen Euro unterstützt, wodurch Mieten von 5,50 Euro pro Quadratmeter ermöglicht werden konnten.
Auch die wbg Nürnberg GmbH plant bis 2026 ein Pflegeheim und geförderte Mietwohnungen im Stadtteil St.Johannis. Dabei entstehen, laut Angaben der Stadt Nürnberg, 23 altersgerechte Zweizimmerwohnungen sowie acht Vierzimmerwohnungen für Wohngruppen älterer Menschen. Auch hier würden die Mieten dank Fördergeldern unter dem Durchschnitt liegen, betont Heilmaier.
Insgesamt gibt es in Nürnberg derzeit rund 17.300 geförderte Mietwohnungen. Stand Januar 2025 befinden sich weitere 873 barrierefreie Mietwohnungen in Planung oder im Bau.
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