Nürnberg verändert sein Gesicht: Wir suchen Bilder von früher!

15.02.2020, 15:01 Uhr
Nürnberg verändert sein Gesicht: Wir suchen Bilder von früher!

© Grafik: Martin Growald (Sammlung Sebastian Gulden)

Stellen Sie sich Folgendes vor: Jemand kauft von der Stadt zwei Alt-Nürnberger Bürgerhäuser und reißt sie weg, um an ihrer statt eine "Erlebnis-Shopping-Mall" zu bauen. Na, schon empört? Wenn ja, dann geht es Ihnen wie vielen Nürnbergerinnen und Nürnbergern, als der Stahlwarenfabrikant Georg Leykauf 1897 bis 1898 sein Kaufhaus in die Altstadt klotzte. Und das nicht irgendwohin, sondern direkt vor die Lorenzkirche an die Einmündung der Karolinen- in die Königstraße (Haus Nr. 26; Karolinenstraße 1/1a ). Dafür mussten das Klein’sche Haus und das frühere Wirtshaus "Zum silbernen Fisch" weichen, deren Substanz mindestens ins 18. Jahrhundert zurückreichte. Für die Freunde Alt-Nürnbergs war das ein Schlag in die Magengrube. Dabei hatte die Stadt eigens erwirkt, dass ein Wettbewerb und eine hochkarätige Expertenjury über das Schicksal des prominenten Grundstücks entscheiden sollten.


Stadtansichten: So wandelte sich Nürnberg im Lauf der Zeit 


Nicht nur wegen der Größe, auch und insbesondere wegen seiner aparten Gestaltung im Stil des Neorokoko war bei dem großen Projekt der Knatsch schon vorprogrammiert. Ein anonymer Kritiker ätzte in der Lokalpresse, dass solche "Schöpfungen einer verweichlichten und etwas lüderlichen Kunstperiode" in den Mauern der alten Reichsstadt nichts zu suchen hätten. Leykauf aber pfiff auf das Gemotze – er machte den Entwurf von Architekt Franz Brochier (sprich: Broschjéh) gar zum Corporate Design seines Unternehmens und ließ Ansichtskarten des Neubaus mit entsprechendem Ornament versehen. Hinter den Sandsteinfronten steckte übrigens modernste Ingenieurskunst: ein Stahlgerüst der Firma Johann Wilhelm Spaeth. Der Coup gelang, und über die Jahrzehnte wuchs das bunte Kaufhaus mit seiner eigenwilligen Architektur den Nürnbergern ans Herz.

Neue Art des Einkaufens

Nürnberg verändert sein Gesicht: Wir suchen Bilder von früher!

© Grafik: Karl Zinn (Sammlung Sebastian Gulden)

Leykauf und Brochier waren allerdings weder die Ersten noch die Einzigen, die sich so selbstbewusst im Bild der Nürnberger Altstadt verewigten: Schon 1875 hatten Emil Hecht und Theodor Eyrich mit dem "Hotel zum Strauß" in der Karolinenstraße 43 einen baulichen Kaventsmann geschaffen, an dessen Größe und üppigem Neorenaissance-Dekor sich die Geister weidlich schieden.

"Gg. Leykauf" war alles andere als ein Ramschladen: Als "Kunstgewerbe-Magazin" bot das Kaufhaus Kunstwerke, Dekoartikel und Aussteuerwaren an, viele davon aus eigener Fertigung und nach Entwürfen bedeutender Künstler und historischer Vorbilder aus dem Germanischen Nationalmuseum. Neben sündhaft teuren Schmuckschatullen und Tafelaufsätzen fand der Kunde hier auch etwas für den kleinen Geldbeutel, etwa gerahmte Nürnberger Ansichtskarten mit Perlmutteinlagen, Mini-Repliken der Eisernen Jungfrau, von Burgschmiets Dürer-Denkmal oder des wamperten Peter Vischer vom Sebaldusgrab.

Dem hochwertigen Angebot entsprechend war das Innere nach Entwürfen des jungen Kölner Architekten Franz Brantzky auf das Edelste ausgestattet. Als Kunde durfte man diese Kaufhauswelt – um 1900 die Ausnahme – weitgehend ungehemmt erkunden: "Besichtigung ohne Kaufzwang gestattet" – las man auf den Inseraten des Hauses. Die riesigen, über zwei Etagen reichenden Schaufenster kündeten von einer ganz neuen Art des Einkaufens.

 Architektur mit Mut zum Kontrast

Nürnberg verändert sein Gesicht: Wir suchen Bilder von früher!

© Foto: Sebastian Gulden

Die Fliegerbomben des 2. Januar 1945 tilgten das Gebäude aus dem Stadtbild. 1953 bis 1954 trat ein Neubau an seine Stelle, der das Grundstück des kriegszerstörten Bankhauses Kohn nebenan einbezog. Auch diesmal gab es einen Wettbewerb, um das neuralgische "Leykauf-Eck" in würdiger Weise zu gestalten. Die Entwürfe von Gottlieb Schwemmer und Hermann Weber, die sich an Alt-Nürnberger Bauformen orientierten, fielen durch. Das Rennen machte die Planung der Abteilung Bauberatung des Stadtplanungsamtes, die das Geschäftshaus mit den typischen Attributen des modernen Gewerbebaus der Wirtschaftswunderzeit versah: eine Rasterfassade mit Verkleidung aus Sandstein und Travertin, ein Attikageschoss mit filigranen Stützen und Geländern und als Abschluss ein flach geneigtes Walmdach.

Nach dem Krieg teilte sich das Geschenkhaus Leykauf sein Gebäude mit dem Schuhgeschäft Duda ("Duda-Eck") , dem Modehaus Fellner und der Kaufhalle, dem Discount-Ableger der Kaufhof AG. Später fand man das Traditionsunternehmen an nicht weniger prominenter Adresse am Hauptmarkt 16, während an der Königstraße 2001 die Drogeriekette Müller das Ruder übernahm.

Schlussendlich zeigt die Geschichte des "Leykauf-Ecks" eines: dass einzigartige Architektur mit Mut zum Kontrast dem Stadtbild nicht zum Schaden gereichen muss, sondern vielmehr eine Bereicherung sein kann.


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