Soll man den Schutthaufen Altstadt einfach liegen lassen und Nürnberg nebenan neu entstehen lassen? Diese Überlegung gab es tatsächlich, aber sie war nicht mehrheitsfähig. Die Hauptdiskussion drehte sich vielmehr um die Frage: Wie viele von den mittelalterlichen Ruinen sind zu retten oder doch nur mehr abzureißen?
Dass der Aufbau rascher als gedacht vorankam, lag zum einem am Architektenwettbewerb von 1947 und am Grundplan von 1950, den der Stadtrat beschloss. Beim Wettbewerb brachten 188 Architekten ihre individuellen Ideen ein, der Grundplan legte den Rahmen für das neue Nürnberg fest.
"Heiliges Vermächtnis"
So sollte der Grundriss des alten Nürnberg als "heiliges Vermächtnis" erhalten bleiben. Neubauten innerhalb der Stadtmauern mussten sich nach "Maßstab, Dachform, Farbgebung und Material" harmonisch einfügen.
Beim Architektenwettbewerb gewannen die Nürnberger Wilhelm Schlegtendal und Heinz Schmeißner den ersten Platz. Schmeißner spielte beim Wiederaufbau eine zentrale Rolle. Er war als Hochbaureferent und später ab 1952 bis 1970 als Baureferent der Stadt an allen wesentlichen Entscheidungen beteiligt.
Bei den Beteiligten setzte sich die Auffassung durch, dass die historischen Bauten unbedingt erhalten werden sollten - falls noch genügend Bausubstanz vorhanden ist. So konnten unter anderem Rathaus Wolffscher Bau, Frauenkirche, St. Lorenz und St. Sebald, Mauthalle, Kaiserstallung und Kaiserburg oder die Fleischhalle trotz erheblicher Zerstörungen erhalten werden. Für denkmalpflegerische Arbeiten an öffentlichen Gebäuden stellte die Stadt bis 1970 rund 30 Millionen Mark zur Verfügung — eine für damalige Verhältnisse sehr hohe Summe.
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Viele Fachwerkhäuser abgerissen
Daneben wurden allerdings zahlreiche Fachwerkhäuser abgerissen, die man eigentlich noch hätte retten können. Aber entweder hatten die Eigentümer kein Geld oder ihnen fehlten Gespür und Wertschätzung für die mittelalterliche Bauweise. Der Verein der Altstadtfreunde kritisierte diesen ungeheuren Aderlass. Doch es blieb nicht beim Schimpfen: Die Altstadtfreunde kauften zahlreiche Ruinen auf und sanierten sie mustergültig.
Der Wiederaufbau der Stadt war eine Gemeinschaftsleistung: Viele Experten wie Heinz Schmeißner, Wilhelm Schlegtendal, Julius Lincke, Harald Clauß, Kurt Schneckendorf, Friedrich Seegy, Harald Loebermann, Sep Ruf und zahlreiche weitere brachten ihr Fachwissen und Können ein. Sie verschafften der Altstadt eine vergleichsweise einheitliche, harmonische Optik.
Betonbrutalismus in den 1960ern
In den 1960ern kam es in Architektenkreisen zu einem großen Meinungsstreit: Manche setzten auf behutsame Ergänzung im Stadtbild, andere wollten kräftige, moderne Akzente setzen. Das Wort vom "Betonbrutalismus" machte die Runde - wie bei der Norishalle des Fürther Architekten Heinrich Grabner.
Für viel Wirbel sorgte das "Köma"-Projekt der Bayerischen Versicherungskammer: Der gesamte Stadtmauerbereich zwischen Königstor und Norishalle sollte verschwinden. Stattdessen waren überdimensionierte, wuchtige Geschäfts- und Verwaltungsbauten sowie ein Kulturzentrum und ein unterirdischer Busbahnhof geplant. Das Vorhaben scheiterte glücklicherweise am öffentlichen Protest und an der Ablehnung durch den Landesdenkmalrat.
Trabantenstadt Langwasser und U-Bahn
In Nürnbergs Südosten zeigte sich die moderne Stadt am deutlichsten. Mit dem Bau des neuen Stadtteils Langwasser konnte man völlig neue Wege gehen. Auch die Entscheidung, die Messe vom Stadtpark in der beengten Innenstadt an den Rand von Langwasser zu verlegen, erwies sich als goldrichtig. Die NürnbergMesse begann dort 1973 mit 61.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche, konnte expandieren und bietet heute 180.000 Quadratmeter in 16 Hallen an. Das dynamische Unternehmen gehört zu den 15 erfolgreichsten der Messe-Branche weltweit.
Im Jahr 1965 beschloss der Stadtrat, als vierte deutsche Stadt nach Berlin, Hamburg und München eine U-Bahn zu bauen. Damit war Nürnberg bei der Reise in die Zukunft endgültig bei Hochgeschwindigkeit angekommen. Die nordbayerische Metropole zeigte sich zugleich modern und traditionell.