Nürnberg: Vor 111 Jahren versank die Stadt in den Fluten

7.2.2020, 12:02 Uhr
Am 5. und 6. Februar vor 111 Jahren stand die Augustinerstraße unter Wasser – die Wellen und Schaumkronen sind aber höchstwahrscheinlich nachträglich hinzugefügt worden, um der Szenerie noch mehr Dramatik zu verleihen.

© Gerhard Maul Am 5. und 6. Februar vor 111 Jahren stand die Augustinerstraße unter Wasser – die Wellen und Schaumkronen sind aber höchstwahrscheinlich nachträglich hinzugefügt worden, um der Szenerie noch mehr Dramatik zu verleihen.

In der Tat ein bemerkenswertes Motiv: die Augustinerstraße als reißender Wildbach. Ein Leser der Nürnberger Zeitung Gerhard Maul hat es zu unserer Serie beigesteuert, die Aufnahme stammt von 1909, er hat sie im Fotoalbum seiner Großeltern entdeckt.

Nürnberg: Größtes Hochwasser aller Zeiten

Es dürfte rund um Nürnberg noch einige Albumseiten dieser Art geben. Denn am 5. und 6. Februar vor 111 Jahren passierte in Nürnberg etwas, das hundertfach fotografiert und als Abbild in ganz Deutschland verbreitet wurde. Die Pegnitz erlebte ihr größtes Hochwasser aller Zeiten.

Nach einer typischen Wetterkonstellation – tiefer Frost, dann ein Temperaturanstieg und Starkregen – war der Fluss diesmal weiter als je zuvor über die Ufer getreten. Nach Wöhrd und der Insel Schütt flutete er alle tieferen Altstadtstraßen und -plätze. Die Pegnitz transportierte 40-mal mehr Wasser als üblich. Das hatte, auch weil die Altstadtbewohner den Fluss mit Wehren, Stegen und Mühlen stark eingeengt hatten, verheerende Folgen. An einer Hausecke neben dem Fleischhaus kann man den Wasserstand heute noch ablesen: zwei Köpfe höher als der Durchschnittsmensch groß ist.


Rekord-Hochwasser: Wie sicher wäre Nürnberg heute?


Fachleute halten so eine Flutkatastrophe mittlerweile für ausgeschlossen, da die Pegnitz in den 1950er und 60er Jahren viele Hochwasserschutzmaßnahmen erhielt.

Zwei Nürnberger kamen ums Leben

Die Altstadtbewohner von 1909 konnten sich nach Warnungen am Vorabend rechtzeitig in Sicherheit bringen, nur wenige Häuser mussten per Boot evakuiert werden. Zwei Männer kamen an den Fluttagen allerdings ums Leben, weil sie leichtsinnig ins Wasser gegangen waren. Ansonsten: große Sachschäden und Sensationslust. Schaulustige besahen sich das Spektakel und schufen enorme Nachfrage nach Erinnerungsstücken.

Die Zeitungen konnten damals noch keine Fotos abbilden, und die wenigsten Bürger besaßen ihren eigenen Fotoapparat. Also verkauften örtliche Verlage massenweise Postkarten und Bildbände mit allen möglichen Blickwinkeln aus dem überschwemmten Nürnberg.

Die Häuserzeile in der Augustinerstraße (s. oben) ist bis heute recht gut erhalten geblieben.

Die Häuserzeile in der Augustinerstraße (s. oben) ist bis heute recht gut erhalten geblieben. © Fotos: Gerhard Maul, Eduard Weigert

Rund 300 Motive aus Nürnberg überliefert

Rund 300 verschiedene Motive sind überliefert. Nicht wenige davon wurden retuschiert, um erstens die Stadt noch schöner und zweitens die Flut dramatischer aussehen zu lassen – mittels Wellengang und Schaumkronen. Das dürfte auch beim Foto unseres Lesers der Fall gewesen sein.

Die Augustinerstraße, eine ab dem 12. Jahrhundert früh besiedelte sumpfige Ecke der Sebalder Stadthälfte, wurde im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen. Das imposante Finanzamtsgebäude auf der Nordseite etwa ging unter; an seiner Stelle steht seit 1965 das ziemlich hässliche Parkhaus. Auf der Südseite hat die Straße ihre frühere Anlage als Laden- und Restaurantzeile vergleichsweise gut bewahrt, wie das aktuelle Foto zeigt.

Die Hausnummern 5, 7 und 11,  Bürgerhäuser aus dem 15. und 16. Jahrhundert, blieben im Kern erhalten und geben ihr als Baudenkmäler Flair.

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