Nürnberger gründete die Weltmarke Triumph

29.8.2013, 08:00 Uhr
Das mächtige Gebäude der Triumph-Fahrrad-Werke erstreckte sich entlang der Fürther Straße.

© Museum Industriekultur, Transport Museum Coventry Das mächtige Gebäude der Triumph-Fahrrad-Werke erstreckte sich entlang der Fürther Straße.

Gegründet wurde die Weltmarke von dem Nürnberger Siegfried Bettmann in England. Er brachte es dort zu großem Ansehen und wurde Bürgermeister von Coventry.

Gegründet wurde die Weltmarke von dem Nürnberger Siegfried Bettmann in England. Er brachte es dort zu großem Ansehen und wurde Bürgermeister von Coventry. © Museum Industriekultur

Als jüngster Spross einer kinderreichen jüdisch-fränkischen Familie kam Siegfried Bettmann vor 150 Jahren, am 18. April 1863, in Nürnberg zur Welt. In seiner Autobiografie behauptet Bettmann, sich nicht sehr an seine frühen Jahre zu erinnern, doch er berichtet, „wie in Bismarcks deutschem Krieg von 1866, der für die Preußen ein leichter Sieg war, ein preußischer Soldat als Eroberer bei der Familie und danach viele Jahr ein Freund war. 1870 gingen französische Kriegsgefangene unbelästigt durch die Straßen von Nürnberg, und der Hass, der zwischen 1914 bis 1918 herrschen sollte, war damals undenkbar.“

Bettmanns politisches Bewusstsein wurde während der Schulzeit in Nürnberg geweckt, als er den Kampf zwischen der Sozialdemokratischen Partei und Bismarcks mächtiger Autokratie verfolgte. In Frankfurt am Main, wo er eine kaufmännische Ausbildung erhielt, konnte er das gesellschafts-kulturelle und politische Geschehen beobachten, ebenso in Antwerpen und Paris, wo er sich danach einige Zeit aufhielt.

Schon als Jugendlicher bemerkte und fühlte er die Anprangerung von Juden, unter der er ein Leben lang litt. In England begeisterte er sich für die Ideale der Freimaurer, sympathisierte mit den Liberalen und der Labour, stets warb er für Frieden und Völkerverständigung.

Wohnhäuser für Arbeiter

Sein Vater Meyer-Bettmann war Holzhändler. 1861 kaufte er am Schwarzen Regen im Bayerischen Wald nahe Zwiesel ein kleines Sägewerk. Er vergrößerte den Betrieb, errichtete in den 1880er Jahren für seine Arbeiter mehrere Wohnhäuser. So bildete sich hier ein kleiner Ort, der auch heute noch nach dem Gründer benannt ist: Bettmannsäge. Das Unternehmen blieb viele Jahrzehnte in Familienbesitz, bis es dann 1938 von den Nazis zwangsenteignet wurde.

Nürnberger gründete die Weltmarke Triumph

© Museum Industriekultur

Trotz solider Ausbildung fand der junge Kaufmann zu Hause keine Anstellung. Deshalb wollte er, der mehrere Sprachen sprach, in England sein Glück versuchen. Im Oktober 1883 stieg er am Zentralbahnhof Nürnberg in den Zug und kam nach einer abenteuerlichen Fahrt am Holborn-Viaduct-Bahnhof in London an.

1890 gründete er mit seinem deutschen Partner in Coventry die Triumph Cycle Company. 1896 entstand die „Deutsche Triumph Fahrradwerke AG“, Bettmann und sein um dreizehn Jahre älterer Bruder Sigmund saßen im Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft.

Die Verbindung zur Familie blieb stets eng, oft kam er nach Nürnberg. Stolz zeigte er seiner englischen Frau Annie, die er 1905 heiratete, die Schönheit der alten Reichsstadt.

1914 wurden aus den beiden Triumph-Firmen getrennte Gesellschaften, bis 1930 unterhielten sie noch umfangreiche geschäftliche Kontakte. Die britische Marke Triumph entwickelte sich unter Bettmann zu einem der größten Motorradhersteller der Welt. In den 1920er Jahren baute sein Unternehmen auch Autos.

Stiftungen initiiert

Die Aktivitäten, in die Bettmann involviert war, zusätzlich zu denen bei Triumph, waren bemerkenswert. 1902 wurde er in den Stadtrat gewählt, 1903 wurde er Friedensrichter, 1913 Bürgermeister. Er war einer der Gründer und ehemaliger Präsident der Handwerkskammer von Coventry und auch Präsident der britischen Fahrrad- und Motorradhersteller.

Als Bürgermeister initiierte er viele karitative Stiftungen. Kirchen verschiedener Richtungen und Nonkonformisten überhäuften Bettmann mit Anfragen, Veranstaltungen zu eröffnen und Reden zu halten.

Nürnberger gründete die Weltmarke Triumph

© Stefan Hippel

Zu seiner bittersten Zeit wurden die Jahre im Ersten Weltkrieg. Eine antideutsche Hysterie breitete sich in England aus, deutsche Staatsbürger wurden interniert und Personen deutscher Herkunft wurden belästigt, auch Bettmann. Trotz der Attacken gegen seine Person stellte er sich weiter aktiv auf die Seite Englands, unterstützte maßgeblich das nationale Hilfswerk „Prince of Wales“. Als Bürgermeister sorgte er für die Aufnahme belgischer Flüchtlinge. Doch zermürbt von den ständigen Anfeindungen trat er im November 1914 vom Amt des Bürgermeisters zurück.

Vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, gemieden von früheren Freunden, verfolgt von einer feindlichen Presse, zog sich Bettmann deprimiert zurück. Auch wenn er nach dem Krieg rehabilitiert wurde, litt er noch lange unter der Isolation.

Der Krieg verhinderte, dass Bettmann 1919 nach Deutschland reisen und seinem im Sterben liegenden Bruder Sigmund beistehen konnte. „In ihm verlor ich mehr als einen Bruder: einen zweiten Vater, den treuesten Freund und den vertrauenswürdigsten Ratgeber.“ Aus Bettmanns Memoiren kann geschlossen werden, dass er zum letzten Mal im August 1927 nach Nürnberg kam. Es war ein trauriger Besuch. Bestürzt beobachtete er den anwachsenden Naziterror.

Bettmanns Autobiografie mit dem Titel „Struggling“ (Kampf ums Überleben) liegt als Manuskript von knapp 1000 Seiten im Stadtarchiv von Coventry. Sowohl vom biografischen Gehalt als auch von den geschilderten historischen Ereignissen ist es ein hochinteressantes zeitgeschichtliches Dokument, das es wert wäre, publiziert zu werden. Bettmann schrieb seine Memoiren in den 1930er Jahren.

Als er von der Wahl Hitlers zum Reichskanzler erfährt, notiert er: „Gangstertum und Nationalsozialismus sind identisch.“ Die Machtergreifung sah er als Ankündigung eines weiteren Krieges. Ende 1937 schloss er seine Autobiografie mit einem Appell an Großbritannien und an die anderen demokratischen Kräfte, „die Flut einzudämmen, bevor es zu spät ist“ und „den Pfad der Toleranz weiterzugehen und den Verfolgten und Enteigneten Asyl anzubieten“.

Die vermutlich letzten nahen Verwandten Bettmanns in Nürnberg konnten sich gerade noch rechtzeitig nach England in Sicherheit bringen: sein Neffe Alfred Fränkel und dessen Familie. Fränkel hatte das Unternehmen Bettmannsäge weitergeführt und 1938 im Zuge der „Zwangsarisierung“, also der systematischen Ausplünderung jüdischen Besitzes, liquidieren müssen. Die Nazis benannten den Ort 1939 in Regentalsäge um.

Bomben zerstörten die Fabrik

Beim verheerenden Luftangriff deutscher Bomber auf Coventry im November 1940 wurde auch die Triumph-Fabrik zerstört. In der City, wo das Werk stand, erinnert an Bettmann eine Gedenktafel.

„Er war klein und beleibt“, so wurde er zuletzt beschrieben, „und sprach nach 65 Jahren in England noch mit einem ausgeprägten deutschen Akzent.“ Bettmann starb im Alter von 88 Jahren am 23. September 1951.

Noch heute gibt es die „Annie-Bettmann-Foundation“, die Ende 1919 vom Triumph-Direktor ins Leben gerufen wurde. Die Stiftung engagiert sich in der Berufsausbildung junger Menschen.



Dem Wirken des Nürnberger Motorrad- und Fahrradpioniers zollt das Coventry Transport Museum in beeindruckender Weise Tribut. In seiner Geburtsstadt dagegen ist Bettmann leider vergessen, im Stadtlexikon sucht man seinen Namen vergebens.
 

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