Juristische Auseinandersetzung

Nürnberger Mutter kämpft seit drei Jahren um ihre Kinder

9.5.2021, 05:55 Uhr
Rund 300 Kinder nimmt das Nürnberger Jugendamt jedes Jahr in Obhut. Für die Heranwachsenden ist das immer ein großer Einschnitt.

© Marcel Kusch, NN Rund 300 Kinder nimmt das Nürnberger Jugendamt jedes Jahr in Obhut. Für die Heranwachsenden ist das immer ein großer Einschnitt.

"Mama und Papa, ich vermisse euch sehr. Ich möchte so gerne wieder nach Hause. Manchmal weine ich abends, weil ich euch so sehr vermisse." In ungelenker Schrift hat die neunjährige Katrin diese Worte aufs Papier gebracht und dazu noch ein Herz gemalt. Es ist nur einer von vielen Briefen, die Maria K. (alle Namen der betroffenen Familie geändert) von ihrer Tochter und deren jüngeren Geschwistern bekommen hat.

Seit über zwei Jahren wartet Katrin vergeblich darauf, dass ihr dieser Wunsch erfüllt wird, denn aus Sicht der Behörden sind ihre Eltern nicht in der Lage, sich angemessen um ihren Nachwuchs zu kümmern. Mit ihrer achtjährigen Schwester und ihrem fünfjährigen Bruder lebt Katrin deshalb in der Nähe von Erfurt in einer Wohngruppe, rund 230 Kilometer von Nürnberg und ihrer Familie entfernt. "Unüblich" sei eine Unterbringung derart weit von der Heimat entfernt, sagt die Anwältin Renée Mönius, die Katrins Mutter vertritt. Und weil aus ihrer Sicht auch sonst einiges "juristisch fragwürdig" ist an dem Verfahren, hat sie jetzt eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Der Streit um den Aufenthaltsort der Kinder begann bereits im Sommer 2018. Damals entzog das Amtsgericht Nürnberg den Eltern vorläufig das Sorgerecht für die drei Kinder, die vom Jugendamt Nürnberg in Obhut genommen wurden. Grund dafür waren lautstarke Auseinandersetzungen zwischen den Eltern, auch Gewalt war im Spiel, allerdings nicht gegenüber den gemeinsamen Kindern. Die Geschwister kamen zunächst in eine Pflegefamilie und dann in ein Kinderheim im sächsischen Gersdorf.

Beschwerde hatte Erfolg

Eine Beschwerde von Maria K. vor dem Oberlandesgericht hatte dann Erfolg: Die Mutter (nicht aber der Vater) bekam das Sorgerecht zurück, ein halbes Jahr lang konnte sie sich wieder um die Kinder kümmern. Doch dann entzog das Amtsgericht im Hauptsacheverfahren Teile der elterlichen Sorge erneut. Die Kinder kamen zunächst in eine Bereitschaftspflege und dann in eine Wohngruppe nach Erfurt, wo sie heute noch sind. Nach wie vor standen nach Angaben der Anwältin bei der Entscheidung vor allem die Vorwürfe gegen den Vater im Raum.

Doch diese dürften aus Sicht der Beteiligten längst keine Rolle mehr spielen: Maria K. hat sich von ihrem Mann getrennt, das Scheidungsverfahren läuft, ihr ehemaliger Partner darf die Wohnung nicht mehr betreten. Ihre Mandantin habe "mit allen Mitteln" versucht, ihr persönliches Umfeld zu stabilisieren, sagt Mönius. Berücksichtigt worden sei das in dem Verfahren jedoch bislang nicht. Aus Sicht der Juristin passt dabei auch nicht ins Bild, dass drei ältere Kinder aus früheren Beziehungen bei der Mutter bleiben durften. Wenn eine akute Kindeswohlgefährdung vorliege, hätten die Behörden auch in diesem Fall reagieren müssen, sagt die Anwältin.


Der erbitterte Streit ums Kind


Es sind aus Sicht der Betroffenen nicht die einzigen Ungereimtheiten. So war ein erstes Sachverständigengutachten von den Eltern erfolgreich wegen Befangenheit abgelehnt worden: Der Gutachter hatte seine Stellungahme zunächst nämlich nur dem Gericht, nicht aber den Anwälten zur Verfügung gestellt.

Ein neues Gutachten einer anderen Expertin zeigt laut Mönius "wenig Tiefe", war aber Grundlage der Entscheidung des Amtsgerichtes. Die Mutter zog deshalb erneut vor das Oberlandesgericht, das aber die Gutachterin nicht anhörte. Stattdessen stützten sich die Juristen auf die zu dem Zeitpunkt nicht mehr aktuellen schriftlichen Ausführungen. Die neue Lebenssituation ihrer Mandantin habe also gar nicht berücksichtigt werden können, sagt Mönius.