Kompositionen von Holocaust-Opfern

Nürnberger Prozesse bald auf Netflix zu sehen: Hier wurde für die Dokumentation gedreht

16.5.2024, 15:24 Uhr
Nürnberger Prozesse, November 1945 - Die Angeklagten auf der Anklagebank, darunter Hermann Göring, Karl Dönitz und Rudolf Heß.

© IMAGO/Gemini Collection Nürnberger Prozesse, November 1945 - Die Angeklagten auf der Anklagebank, darunter Hermann Göring, Karl Dönitz und Rudolf Heß.

Die Serie wird aus der Perspektive eines amerikanischen Journalisten, der die NS-Zeit noch hautnah erlebte, erzählt: William L. Shirer. Er war zur damaligen Zeit Korrespondent für Auslands-Medien über Deutschland und einer der letzten westlichen Journalisten, die Deutschland verließen. Und das erst Ende 1940, mehr als ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkrieges. 1946 kam Shirer nach Deutschland zurück und nahm als Beobachter an den Nürnberger Prozessen teil. Nun werden seine Worte in der neuen Dokumentation über das sogenannte Dritte Reich und das internationale Militärtribunal zum Leben erweckt.

"Dies ist der richtige Zeitpunkt, diese Geschichte einer jüngeren Generation als warnende Geschichte noch einmal zu erzählen – und zwar auf globaler Ebene", sagt Joe Berlinger. Der Oscar-nominierte Filmemacher sah diese Notwendigkeit, da es ihn beängstige, wie sehr die Schandtaten von Hitler und den NS-Regime in Vergessenheit geraten sind.

Ab dem 5. Juni soll die Doku-Serie, übersetzt "Hitler und die Nazis: Das Böse vor Gericht", auf Netflix verfügbar sein. Der Trailer ist bereits veröffentlicht.

Nürnberg als Drehort

Eine große Rolle spielt ein Raum in Nürnberg - der Saal 600 im Nürnberger Justizpalast. 24 führende Vertreter des NS-Regimes und acht Organisationen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen, wurden dort vor dem Internationalen Militärgerichtshof angeklagt. Auch in der Kongresshalle, dem Zeppelinfeld, der Zeppelintribüne, dem Goldenen Saal und auf dem Gelände vor dem Justizpalast wurde gedreht, teilte die Stadt den Nürnberger Nachrichten mit.

"Shirer war in einer einzigartigen Position, als einer der wenigen Auslandskorrespondenten, die in den entscheidenden Jahren von Deutschland aus über Hitlers Aufstieg und die ersten Kriegsjahre berichteten", erklärt Berlinger. "Viele seiner Berichte wurden in Deutschland zensiert, aber er hatte den Mut, seine Tagebücher auf eigene Gefahr herauszuschmuggeln."

Eingerahmt von den Nürnberger Prozessen, über die Shirer 1945 berichtete, untersucht die Serie den schockierenden Aufstieg und Fall Hitlers und seiner Unterstützer mittels einer Kampagne, die durch Propaganda, Zensur und Antisemitismus angeheizt wurde.

Der vielleicht emotionalste Aspekt der Serie ist jedoch die Aufzeichnung mehrstimmiger Musik: Ein Großteil der Musik der Serie wurde aus Kompositionen von Holocaust-Opfern geschaffen. "Im Zuge der Nationalsozialisierung, der Nürnberger Rassegesetze und der Schrecken des Holocaust wurde das Musikschaffen zu einem Ventil für europäische Juden, um ihrer Menschlichkeit Ausdruck zu verleihen", sagt Berlinger.

Nicht nur Leid spiegelt sich in den Kompositionen wider, sondern auch Überleben, Glaube, Freiheit und Hoffnung. Geschrieben haben die Musik bekannte Komponisten, aber auch von Laien, die während ihres Aufenthalts in den Vernichtungslagern Musik komponierten.

Noch nie gehörte Audio-Zeugnisse

Die Dokumentarserie nutzte KI-Technologie, um Shirer in den sechs Episoden die Möglichkeit zu geben, als Erzähler zu "sprechen", ein Unterfangen, das laut Berlinger der damals unglaublichen Berichterstattung von Shirer neues Leben einhauche.

Außerdem werden Audio-Zeugnisse aus Nürnberg zu hören sein, wo ab 1945 Überlebende aussagten und Dutzende Täter wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht standen.