Nürnbergs OB rüffelt Bauträger
19.8.2017, 15:22 UhrVor ein paar Monaten bekam Familie Meier eine "persönliche Einladung". "Aus sehr aktuellem Anlass hat sich jetzt eine Änderung ergeben, die für Sie von sehr großem Vorteil sein kann", ließ die Schultheiß Projektentwicklung AG wissen. Es gebe Gespräche mit einem Großinvestor für die Grundstücke an der Erlanger Straße und der Marienbergstraße, hieß es in dem Schreiben. "Zu diesem Zweck wird auch Herr Dr. Günther Beckstein anwesend sein."
Die Meiers, die eigentlich anders heißen, ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen wollen, besitzen auf dem begehrten Areal an der Marienbergstraße unweit des Flughafens ein Grundstück. Sie wurden neugierig - wann sieht man schon einmal einen ehemaligen Ministerpräsidenten - und folgten der Einladung des Unternehmens. Das wirbt mit dem Spruch "Wir bauen auf Ihr Vertrauen - bauen Sie auf unsere Erfahrung". Doch was es dann erlebte, schildert das Ehepaar als wenig vertrauenerweckend.
Zusammen mit anderen Eigentümern wurden die Meiers im Schultheiß-Neubau an der Kilianstraße empfangen. Der langjährige CSU-Innenminister Beckstein, das prominenteste Mitglied des Aufsichtsrats der Schultheiß Projektentwicklung AG, schwärmte vor den Besuchern von einem Projekt, das eine Bereicherung für den Nürnberger Norden sein werde. Ins Detail ging er nicht.
Auch Schultheiß ließ die Katze nicht aus dem Sack. Es sei ein großes Geheimnis daraus gemacht worden, erzählen Heidi und Klaus Meier. Beim Abendessen im Schultheiß-eigenen Restaurant "Servento" hätten Mitarbeiter des Bauträgers dann versucht, die Eigentümer zum Verkauf zu überreden.
Pure Drohung?
Im Rathaus weiß man ein Lied davon zu singen, dass allein der Name Beckstein gehörig Eindruck macht auf Eigentümer, denen Schultheiß Land abkaufen will. Doch die Meiers stiegen nicht auf die Offerten des Bauträgers ein. Nicht einmal zwei Wochen später bekamen sie wieder Post von Konrad Schultheiß, der "die Sache" plötzlich "als erledigt" betrachtete. Schultheiß drückte in dem Brief sein Bedauern darüber aus, dass "die Aufwertung der Nordstadt durch den Bau einer Universität gescheitert ist", weil sich nicht genügend Verkaufsinteressenten gefunden haben. "Wir hatten den letzten Versuch unternommen, obwohl die Stadt Nürnberg wegen der bisherigen Haltung der Eigentümer dies von vorneherein als nicht umsetzbar . . . erachtet hat." Dabei wäre eine Universität im öffentlichen Interesse, fuhr Schultheiß fort. Und dann folgte in der pikiert klingenden Absage ein Satz, den die Familie als pure Drohung verstand: "Wie die Stadt Nürnberg sich . . . weiter verhalten wird, wissen wir nicht. Für Sie hoffen wir nicht, dass es zu Enteignungen kommt." Gezeichnet: Konrad Schultheiß, Generalbevollmächtigter.
Es war das erste Mal, dass die Meiers etwas von Uni-Plänen hörten. Und von Enteignungen. Heidi und Klaus Meier reagierten fassungslos. So etwas zu schreiben, sei nicht seriös, sagt Klaus Meier im Gespräch mit der Redaktion. Zusammen mit seiner Frau beschwerte er sich bei Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD). Denn das Ehepaar hatte den Schultheiß-Brief so verstanden, als wäre die Stadt womöglich mit im Boot.
Maly verärgert
Maly reagierte seinerseits verärgert auf das Vorgehen des Bauträgers. Eine Beteiligung der Stadt wies er umgehend zurück. "Selbstverständlich hat die Schultheiß Projektentwicklung AG weder im Auftrag noch im Einvernehmen mit der Stadt Nürnberg gehandelt", stellte der Oberbürgermeister klar. In seiner Antwort an Familie Meier drückte er sein Befremden über "die Praktiken" des Unternehmens aus.
Maly beließ es nicht dabei, sondern schrieb Konrad Schultheiß einen "sehr scharfen Brief", wie er auf Anfrage bestätigt. Er werde "die Schultheiß Projektentwicklung AG unmissverständlich auffordern, dieses inakzeptable Geschäftsgebaren zu unterlassen", hatte er vorher in aller Deutlichkeit gegenüber den Grundstückseigentümern angekündigt. Denn es sei nicht im Sinne der Stadt, "Grundstückseigentümer mit haltlosen Drohungen zu verunsichern", zürnte der OB. Gegebenenfalls werde sich die Stadt auch juristisch dagegen wehren, "mit solchen Geschäftspraktiken in Verbindung gebracht zu werden".
Die Schultheiß Projektentwicklung AG will auf Anfrage nicht alle Vorwürfe auf sich sitzen lassen, räumt aber Fehler ein. "Von einem Druck auf Grundstückseigentümer durch uns kann keine Rede sein, denn wenn wir schon absagen - wie sollten wir Druck erzeugen", so Konrad Schultheiß schriftlich. Dass er etwas von "Enteignungen" geschrieben habe, sei keine Drohung gewesen. "Diesen Zusatz hätte ich mir ersparen sollen", sagt er allerdings später im Gespräch mit der Redaktion. "Heute würde ich diesen Nachsatz nicht mehr bringen, weil eine bestimmte Zeit vergangen ist und mir die Geschichte mit den vor Geldgier triefenden Landwirten und Grundstückseigentümern wurscht ist. Die sollen damit machen, was sie wollen", poltert er in seinem Büro an der Kilianstraße. Doch damals sei er einfach frustriert gewesen, weil die Eigentümer nicht verkaufen wollten.
180 Euro habe man für den Quadratmeter Bruttobauland geboten. Die Uni-Ansiedlung wäre "für den Nürnberger Norden eine ganz, ganz tolle Lösung gewesen", fährt der Unternehmer fort. Aber: "Wir haben uns bei Herrn Maly entschuldigt für die Geschichte und haben darauf hingewiesen, dass wir künftig zurückhaltender argumentieren werden", sagt der 66-Jährige, während der Vorstandsvorsitzende Michael Kopper still danebensitzt.
"Alles ganz seriös abgelaufen"
Auch Aufsichtsrat Günther Beckstein hält den Hinweis auf Enteignungen für einen "äußerst missverständlichen Satz". Es sei der Eindruck erweckt worden, "als ob jemand über Enteignungen nachdenken würde. Der ganze Brief war überflüssig. Man hätte mitteilen können, dass sich die Sache erledigt hat. Punkt." Beckstein weist jedoch ebenfalls den Vorwurf zurück, dass auf die Grundstückeigentümer Druck ausgeübt worden sei. "In der Veranstaltung ist alles ganz seriös abgelaufen", fährt er fort. "Meine Aufgabe war es zu sagen, dass es um etwas geht, woran die öffentliche Hand ein massives Interesse haben könnte."
Dass es um eine mögliche Erweiterung der Uni Erlangen-Nürnberg ging, sei damals tatsächlich nicht offenbart worden, fährt Beckstein fort. Die Geheimniskrämerei begründet Schultheiß auf Anfrage damit, dass es erst einmal darum gegangen sei, auszuloten, ob seitens der Eigentümer überhaupt Verkaufsbereitschaft bestehe. Außerdem sind "wir mittlerweile sehr zurückhaltend, was die Anfragen bei der Stadt betrifft, wenn wir Visionen haben, ein bestimmtes Gebiet mit irgendeiner Entwicklung zu betrauen." Man habe massive Schwierigkeiten mit der Kommune gehabt, "weil diese unsere Visionen aufgegriffen und für sich selbst umgesetzt hat", teilt Konrad Schultheiß in Richtung Verwaltung aus.
Ex-Unipräsident im Aufsichtsrat
Sowohl Beckstein als auch Schultheiß beteuern, dass die Uni-Pläne nicht aus der Luft gegriffen gewesen seien. Die ganze Geschichte sei bei einer Veranstaltung in Erlangen mit hochrangigen Vertretern der Universität und der Landesregierung entstanden, schildert Konrad Schultheiß. Da sei das Unternehmen angesprochen worden, ob es nicht Grundstücke wisse, nachdem sich der Standort auf AEG für eine Erweiterung der Uni Erlangen-Nürnberg zerschlagen hatte. Denkbar ist das, denn die Wege zwischen Schultheiß und Uni sind kurz. Neben Beckstein sitzt auch Karl-Dieter Grüske, ehemaliger Präsident der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, im Aufsichtsrat der Schultheiß Projektentwicklung AG.
"Wenn vonseiten der Stadt gesagt wird, dass die Fläche nie für eine universitäre Einrichtung zur Verfügung gestanden hat, dann mag es offiziell stimmen", fährt Beckstein fort. Aber hinter den Kulissen sei schon darüber gesprochen worden. Schultheiß meint, dass sogar das Baureferat der Stadt informiert gewesen sei - "mit der Bitte, es klein zu halten".
An der Spitze des Rathauses hört sich das allerdings ganz anders an. Maly teilte den Meiers mit, dass die "Vorgänge um eine angebliche Nutzung der Fläche . . . für eine universitäre Nutzung . . . mir und meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung noch nicht bekannt gewesen" sind.
Die Meiers halten die damals avisierten Uni-Pläne bis heute für aus der Luft gegriffen.
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