Olympische Spiele im Kochtopf
10.10.2008, 00:00 Uhr
Über 1000 Köche aus 53 Nationen wetteifern vom 19. bis 22. Oktober in der Erfurter Messehalle während der Gastro-Fachmesse «inoga» um Medaillen. Deshalb gilt das Tunier auch als Weltmeisterschaft der Köche.
Müller geht für die Jugendnationalmannschaft ins Rennen, und Brockerhof tritt als Pâtissier im Regionalteam Franken an, das vom Verein Nürnberger Köche aufgestellt wird.
Wie ein Chirurg arbeitet Jens Brockerhof bei seinen Petits Fours. Schicht um Schicht modelliert er aus süßen Teigen und Massen das feine französische Kleingebäck. Dies wird anschließend mit Schokolade überzogen und reich verziert. Gegensätze, wie süß und scharf, weich und knusprig dürfen sich bei den kleinen Leckereien ruhig anziehen. «Ich nehme mit Schokolade überzogene Brause, die bizzelt im Mund», erzählt der junge Koch, der im Gasthof Bammes und im Restaurant Freihard gelernt hat und dann noch eine Konditorausbildung in der Konditorei Neuer draufgesattelt hat.
Ganz entscheidend sei aber die Optik, so Brockerhof. «Es wird nur eine von vier Sorten verkostet, der Rest wird ausgestellt». Dabei sei absolute Präzision erforderlich. «Die Teile müssen nahezu identisch aussehen», sagt er und fügt lachend hinzu: «Wenn Fingerabdrücke auf der Schokolade sind, ist das tödlich.»
Auf ein perfektes Äußeres achten die Juroren auch bei der Kaltausstellung, für die Johannes Müller einen Betrag leistet. Kirschtomaten, Basilikumblätter und Paprikaschnitze wandern in ein Aspikbad. Dann werden sie vorsichtig auf einen mit Folie bezogenen Teller gelegt und in einem Spezialkühlschrank gekühlt. Ist das Gelee schön fest, folgt die nächste Schicht. Wie bei einer japanischen Lackdose dürfen keine Tropfen oder Dellen bleiben, alles muss gleichmäßig glänzen.
Johannes Müller hat mit der Jugendnationalmannschaft gleich mehrere Aufgaben zu meistern. Eine Hauptspeise für 110 Personen kochen die jungen Köche, die sich regelmäßig in Berlin zum Training treffen. Für die geschulten Gaumen in Erfurt bereitet Johannes Müller Rehrücken im Tramezzini-Mantel zu. «Er wird bei 60 Grad schön rosa gegart und dann in Scheiben auf einem Kalbsbäckchen drapiert», beschreibt der 22-Jährige, der im Nürnberger Maritim-Hotel gelernt hat. Um die Beilagen – ein Rosenkohl und ein Pastinakenpüree – fachgerecht anzurichten, hat er stundenlang mit Fertigkartoffelbrei geübt. «Alle Teller sollen am Ende möglichst gleich aussehen», erklärt er und führt aus, dass beim Zeitdruck im Wettbewerb einfach jeder Handgriff sitzen muss.
Zu diesen eher bodenständigen Leckereien gibt es Feines aus der Molekularküche – die ist derzeit in Mode. Dabei wird mit biochemischen und physikalisch-chemischen Prozessen gearbeitet. Müller behandelt pürrierte Cranberrys essbaren Chemikalien so, dass sich eine dünne Hülle bildet und das Ganze wie eine Cocktailtomate aussieht. «Wenn man draufbeißt, fließt das flüssige Cranberry-Pürree in den Mund», erklärt er.
Schließlich verlangt die Aufgabe «Vier Köche und eine Wildente» Kreativität und Schnelligkeit. In nur 20-minütigen Abständen gilt es Vorspeisen, Suppen, Hauptgerichte und ein Dessert herzustellen.
Gekocht wird in gläsernen Küchen, die von Zuschauerrängen umgeben sind. Drei Juroren schauen den Teams bei der Arbeit über die Schulter. Wird sauber gearbeitet? Ist die Zubereitung perfekt?
Lampenfieber haben Johannes Müller und Jens Brockerhof, die zusammen 2005 das Catering-Unternehmen «elParadiso» gegründet haben, nicht. «Wir haben schon in unserer Ausbildungszeit mit Wettbewerben angefangen», berichtet Jens Brockerhof. Ihre Berufsschullehrer Roland Kestel und Ernst Faßnacht hätten sie dazu ermutigt und unterstützen sie bis heute – zum Beispiel mit einem Platz in der Schulküche.
Von Stadtmeisterschaften über den Bio-Oscar und Fachwettbewerbe ist die Erfolgsbilanz der beiden bereits relativ lang. Als absolute Grünschnäbel nahmen sie zum Beispiel 2006 an einem Wettbewerb für Gemeinschaftsverpflegung teil. Mit liebevoller Zubereitung und ausgefallenen Ideen deklassierten sie die alten Hasen aus den Großküchen und holten Gold.
Der Erfolg kommt aber nicht von ungefähr: «Es geht schon viel Freizeit für die Vorbereitung drauf», räumt Jens Brockerhof ein. «Kurz vor den Wettbewerben stehen wir 15 Stunden und mehr in der Küche. Aber wenn man seinen Beruf liebt, macht man das gerne», so der Nürnberger.
Auch Johannes Müller zieht Parallelen zum Training eines Leistungssportlers. Ihn reizt es, perfekte Kreationen auf den Teller zu zaubern. Für Erfurt haben die beiden jungen Männer schon klare Vorstellungen: «Wir wollen gewinnen. Mit einem zweiten Platz geben wir uns nicht zufrieden», so Jens Brockerhof.
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