Pilatushaus: Mieter mussten raus

30.12.2011, 17:14 Uhr
Pilatushaus: Mieter mussten raus

Das repräsentative Bürgerhaus am Tiergärtnertorplatz aus dem Jahr 1489 leidet an „Durchbiegungen, Absenkungen und Schiefstellungen“, wie das Ingenieurbüro Trafektum in einer ersten Untersuchung festgestellt hat. Im Treppenhaus und in etlichen Wohnungen wurden sicherheitshalber Stützbalken befestigt.

Pilatushaus: Mieter mussten raus

© Stefan Hippel

Die Experten hatten außerdem weißen Porenschwamm und Braunfäule an Aufliegerbalken der Decken entdeckt. Für die Stadt Nürnberg — seit 1941 Eigentümer des Doppelhauses Obere Schmiedgasse 64 und 66 — war das Anlass für detailliertere Tests. „Schließlich haben wir eine Fürsorgepflicht für unsere Mieter“, sagt Wolfram Gäbisch vom Liegenschaftsamt. Da allerdings klar ist, dass dabei Decken und Böden aufgerissen werden, muss das Gebäude leerstehen.

In den vergangenen Monaten bemühte sich die Stadt erfolgreich um geeignete Ersatzwohnungen für die sechs privaten und zwei gewerblichen Mieter. Einige Betroffene verließen nur sehr wehmütig die gewohnte Umgebung, manche lebten hier seit Ende der 70er Jahre. Wer räumt schon gerne eine derart prominente Wohnlage — direkt unterhalb der Burg? Ein Rückkehrrecht nach den Arbeiten habe man ausgeschlossen, so Gäbisch, schließlich wisse man nicht, wie lange die Maßnahmen dauern.

In Kürze vergibt das Hochbauamt einen Auftrag, um den Zustand der Tragwerkskonstruktion des mächtigen Doppelgebäudes ganz genau zu untersuchen. „Wir hoffen, dass es sich nicht zum Horrorszenario entwickelt“, meint der Liegenschaftsverwalter. Nur zu gut ist das Schicksal des gegenüberliegenden Albrecht-Dürer-Hauses und des Stadtmuseums Fembohaus in Erinnerung: Beide denkmalgeschützten Bauten mussten vor wenigen Jahren aufwendig saniert werden, nachdem man an den Dachstühlen durchgebrochene Stützen und verfaulte Balken entdeckt hatte.

Zunächst beschränken sich die Arbeiten im Pilatushaus auf rein statische Probleme. Ob auch eine energetische Sanierung erfolgt, hängt letztlich vom Geld und von den nötigen Eingriffen in die originale Bausubstanz ab. Der Dachstuhl ist nicht gedämmt und auch die Fenster sowie Außenmauern entsprechen keineswegs heutigen Wärmeschutzstandards.

Böse Überraschung

Für Hochbauamts-Chef Vinzl ist wichtig, zunächst die Kosten exakt zu ermitteln. „Wir wissen nicht, was genau auf uns zukommt“, betont der Amtsleiter, der schon bei etlichen Altbauten böse Überraschungen erlebt hat. Im Dürer-Haus beispielsweise hatten Bewohner der vergangenen Jahrhunderte die Konstruktion durch das Absägen tragender Stützen massiv geschwächt. Ein Tragwerksplaner, der den 600 Jahre alten Dachstuhl damals fachlich bewertet hatte, war verblüfft, dass sich das Wohnhaus des berühmten Malers überhaupt bis heute gehalten hat.

Wie lange die Arbeiten am Pilatushaus dauern, darauf legen sich die Experten nicht fest. Mindestens ein Jahr, heißt es vorsichtig, doch erst muss das Ausmaß der Schäden geklärt werden. Seinen Namen verdankt der Fachwerkbau übrigens der (fälschlichen) Annahme, dass hier der Ausgangspunkt für die Kreuzwegstationen des Bildhauers Adam Kraft gewesen ist. Dem Hausheiligen Georg, dem Drachenbekämpfer, verdankt die Immobilie die Bezeichnung „Haus zum geharnischten Mann“. Harnischmacher Hans Grünewald hatte 1489 das Gebäude errichten und sein Hauszeichen anbringen lassen.

 

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