Plädoyer für den Erhalt des Postbaus
12.1.2015, 19:23 UhrZunächst einmal die Ehrenrettung: „Dieses Gebäude“, sagt Joachim Thiel, „wird zu Unrecht als Nazi-Architektur bezeichnet. Es ist ein stilistisches Unikat, dessen Gestalt das Ergebnis verschiedener architekturgeschichtlicher Überlagerungen ist.“
Wer Nachforschungen über die Vergangenheit des Gebäudes anstellt, tut gut daran, einen Blick in die Postgeschichte zu werfen. Das hat Thiel getan und eine Reihe von Bausteinen zusammengetragen, die ein interessantes Bild ergeben. „Als 1920 die Königlich Bayerische Post in die Deutsche Post integriert wurde, galt alles, was in Bayern vorhanden war, als unterentwickelt. Deshalb sollten neue Gebäude entstehen.“ Die Reichspost in München habe daraufhin eine „Postbauabteilung“ eingerichtet, als Vorstand wurde der Architekt Robert Vorhoelzer einsetzt. „Unter ihm wurden alle Neubauten im Stil der Neuen Sachlichkeit errichtet“, sagt Thiel. 1935 sei Vorhoelzer dann vom Reichspostminister entlassen. „Seine Arbeit passte den NS-Ideologen nicht.“
Bis dahin aber, sagt Joachim Thiel, der als gebürtiger Nürnberger mit Liebe, aber auch einem kritischen Auge auf seine Stadt blickt, habe es in Bayern eine eigenständige Facette der Moderne in der Architektur gegeben, die sich vom in Deutschland dominierenden Bauhaus frei gemacht hatte. „Vorhoelzer (von 1930 bis 1933 Professor an der Technischen Universität München) prägte den Stil der Postbauschule rigoros. Sein Einfluss auf junge Architekten war groß, unter ihnen Männer, die später in Nürnberg tätig waren: der Baureferent Walter Brugmann, Friedrich Seegy, Heinz Schmeissner und Kurt Schneckendorf. Stark beeinflusst worden sei die bayerische Postbauschule von der Italienischen Moderne.
Der Entwurf für die Nürnberger Hauptpost entstand 1928/29, verantwortlich für die Planung war der Architekt der Post, Johann Kohl. „Der Erstentwurf zeigt ein ganz klares kubisches Gebäude mit einer neusachlich weißen Putzfassade“, sagt Thiel. Eine Neuheit in dieser Zeit: das Stahlskelett im Inneren des neungeschossigen Baus. „Der Entwurf war zunächst im Stadtrat umstritten, aber Walter Brugmann – Baureferent unter dem liberalen Oberbürgermeister Hermann Luppe – war sehr angetan davon.“ Er habe die „Leichtigkeit der Konstruktion zur sandsteinsichtigen Stadtbefestigung“ begrüßt. Brugmann, so Thiel, habe ebenfalls unter dem Einfluss der italienischen Moderne gestanden. „Er entwarf geometrische, meist kubische Gebäude, die sehr auf das Wesentliche reduziert waren.“ Unter seiner Amtsführung entstand unter anderem der „Plärrer-Automat“ mit seinem schwebenden, runden Dach über einer Stahl-Glas-Konstruktion.
Die typischen Architekturmuster jener Zeit
Gegen Ende der 20er Jahre sei dann sowohl in der Weimarer Republik als auch in Italien der Rundbogen als Gestaltungsmotiv aufgetaucht. „Es war eine zeittypische Architekturentwicklung, die bereits vier bis fünf Jahre vor dem ,Dritten Reich’ begonnen hat.“ Thiel verweist auf die Ehrenhalle im Luitpoldhain, die 1928 errichtet wurde und Rundbögen aufweist. „In Italien wurden sie zum typischen Architekturmuster der 30er Jahre und auch in Nürnberg waren sie in Mode.“
In Nürnberg habe schließlich Konsens darüber bestanden, dass das Postgebäude keine Putzfassade bekommen soll, sondern eine Verkleidung als Natursandsteinplatten. „Das wurde bereits 1930 im Stadtrat vorgeschlagen.“ Der Verlauf der Diskussion über die Dachgestaltung sei nicht belegt. Aber aus anderen Projekten der Zeit sei abzulesen, dass Oberbürgermeister Luppe kein Freund von Flachdächern war und als Kompromiss flache Walmdächer befürwortete – zu sehen etwa in der Siedlung am Nordostbahnhof.
Und schließlich dann die Nazis: Mitte 1933 habe Gauleiter Julius Streicher dazu gedrängt, die Fassade umzugestalten, mit dem „Neuen Bauen“ abzurechnen. Das Gebäude bekam ein mächtiges Dach, die Fensterteilung wurde verändert, unter anderem eine Konsole mit Reichsadler angebracht. Währen des Zweiten Weltkriegs wurde das Haus von einer Bombe getroffen, die das Dach durchschlug, das Innere brannte völlig aus. Der Wiederaufbau, so Thiel, habe sich dann nicht am nationalsozialistischen Erscheinungsbild orientiert, sondern an der bis 1932/33 diskutierten Gestaltung. „Ideologisch belastete Reliefs und Bildwerke wurden entfernt, die ursprünglich geplante Fensterteilung wieder hergestellt und ein Walmdach mit flacher Neigung errichtet.“
Mit dem Bahnhofsplatz, seinen Gebäuden und der Verkehrsführung beschäftigt sich Joachim Thiel schon seit vielen Jahren. Im Jahr 2001, noch vor seiner Zeit als CSU-Politiker, hatte die Stadt einen Wettbewerb zur Gestaltung von Bahnhofsplatz und Königstorpassage ausgelobt. Thiel reichte damals ebenfalls einen Entwurf ein und erreichte damit den dritten Platz. Seine Pläne sahen unter anderem eine Bündelung des Verkehrs an der nordwestlichen Seite des Platzes vor. Die Südseite sollte derweil ganz vom Fahrzeugstrom freigehalten werden. Um dem Bahnhofsplatz eine Art von Einfassung zu geben, schlug Thiel vor, den Postkopfbau parallel zum Victoria-Hochhaus neben dem Celtistunnel zu erhöhen.
Diese Parallelität der Gebäude erscheint Thiel auch heute noch erstrebenswert. Er plädiert unbedingt für den Erhalt des Postkopfbaus. „Das Gebäude ist es in jedem Fall wert, dass man es stehen lässt.“ Er könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass die Fassade bleibt und aufgestockt wird, oder zumindest ein Teil von ihr erhalten wird. „Man könnte Altes und Neues verbinden. Wie genau, das sollte meiner Ansicht nach ein Wettbewerb klären.“
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