Hilfe für Menschen aus Nürnberg und der Region

Psychische Probleme im Job: "Blaufeuer" weist den Weg

Sabine Ebinger

Lokales Nürnberg

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12.10.2021, 10:58 Uhr
Wer permanent in der Arbeit erschöpft, gereizt oder gestresst ist, sollte sich Hilfe suchen - etwa bei dem Projekt "Blaufeuer". 

© imago images/Westend61, NNZ Wer permanent in der Arbeit erschöpft, gereizt oder gestresst ist, sollte sich Hilfe suchen - etwa bei dem Projekt "Blaufeuer". 

Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die Beistand suchen. Da ist der routinierte Chef, der eines Tages plötzlich mit Tinnitus zu kämpfen hat und vom Hausarzt gesagt bekommt: "Sie sollten Ihre Arbeitsbelastung überdenken!" Da ist aber auch die Berufsanfängerin, die im Job durchstarten will, aber wegen ihrer familiären Belastung immer mehr ins Straucheln gerät. Ihnen hilft das "Blaufeuer"-Team, das in den Räumen des Berufsförderungswerks im Knoblauchsland zu finden ist.


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Unkomplizierte, vertrauliche und kostenfreie Beratung gibt es hier für Erwerbstätige im Alter von 18 bis 64 Jahren. Vier Expertinnen begleiten Betroffene, die mit psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu kämpfen haben - dabei ist es unerheblich, ob die Probleme eher im privaten oder im beruflichen Bereich zu finden sind.

Unkomplizierte Beratung

Das Bundesarbeitsministerium hat das Modellprojekt "Blaufeuer" ins Leben gerufen, das bis Herbst 2024 durch frühe und unkomplizierte Hilfe Arbeitnehmer mit psychischen Belastungen unterstützen soll. Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen noch besser zu erhalten oder wiederherzustellen. Das Präventiv-Projekt wird wissenschaftlich begleitet und läuft an drei Standorten. Neben Berlin und Köln können sich auch Hilfesuchende aus Nürnberg und dem Großraum beraten lassen.

Der Begriff "Blaufeuer" bezeichnet das Leuchtsignal, das ein Schiff in der Dunkelheit aussendet, wenn die Besatzung die Orientierung verloren hat. Das "Blaufeuer"-Team hat hier eine Lotsenfunktion und möchte bei Depression, Orientierungslosigkeit oder Burnout Halt geben. So sagt Diplom-Psychologin Caroline Schöner-Sommer, eine der vier Nürnberger "Lotsinnen": "Jeder, der sich in der Arbeit belastet fühlt, kann kommen." An die 230 Anfragen hat die neue Einrichtung im ersten Jahr registriert, rund 120 Personen werden seit dem Start begleitet.

Einsamkeit im Lockdown

Und: Natürlich hat Corona auch hier die Planungen durcheinander gebracht. Die Pandemie war vor allem in der Lockdown-Phase stark präsent: "Da ging es auch um die Themen Einsamkeit oder die Vereinbarkeit von Homeoffice und Familie. Belastend war, dass Ausgleichsmöglichkeiten wie Sport oder soziale Kontakte weggefallen sind." Flexibel sein, das war auch beim Nürnberger "Blaufeuer"-Team das Gebot der Stunde: Und so stellte man im Lockdown kurzfristig von persönlicher Beratung auf Video-Sprechstunde um.

Mittlerweile hat sich die Lage entspannt - neben Telefon-Beratung sind auch persönliche Termine oder Beratungsspaziergänge durch die nahen Felder im Knoblauchsland unter dem Motto "Walk’n Talk" möglich. Die Beratung sei immer individuell, wie die klinische Psychologin Heike Kemter sagt: "Wir arbeiten sehr intensiv mit den Klienten." Zunächst wird die private und berufliche Situation betrachtet, dann wird geklärt, welche Veränderungen nötig sind und wie man dies umsetzen kann. Manchmal geht es um Hilfe bei der Antragstellung für eine Reha, manchmal geht es um die Vermittlung an andere Fachstellen oder Einrichtungen.


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So mancher Hilfesuchender weiß am Anfang gar nicht so recht, wo sein Problem liegt. Heike Kemter berichtet von einem Klienten, der im Job so stark unter Zeitdruck war, dass er im Beratungsgespräch permanent schnell und hektisch gesprochen hat. Anfangs sagte er: "Ich kann keine Therapie machen, ich habe keine Zeit!" Der Mann vertraute sich schließlich einem Kollegen an, der selbst mit einem Burnout zu kämpfen hatte - dieser überzeugte ihn, sich seinen Problemen zu stellen.

Wie Heike Kemter sagt, sucht das "Blaufeuer"-Team auf Wunsch auch den Kontakt zu Arbeitgebern. Doch sei bei Betroffenen mitunter die Angst vor einer Stigmatisierung sehr groß - Infogespräche und Beratungen bei kleineren und größeren Arbeitgebern sollen dieser Tabuisierung entgegen wirken. Ihr Klient, der ständig mit Zeitdruck zu kämpfen hatte, hat sich mittlerweile professionelle Hilfe geholt und meinte beim Abschlussgespräch: "Jetzt möchte ich mich bei euch verabschieden - mein Fall ist ja eine Erfolgsgeschichte für euch!"

Zur "Woche der seelischen Gesundheit" gibt es beim "Blaufeuer"-Team, Schleswiger Straße 101b, am Mittwoch, 13. Oktober, von 12 bis 18 Uhr einen "Tag der offenen Tür". Infotelefon für Fachkräfte, Betriebe und Interessierte am Donnerstag, 14. Oktober, von 7 bis 19 Uhr unter Telefon 0911/9387102. 20-minütige Schnuppertermine per Video-App oder Telefon werden am Montag, 18. Oktober, unter https://www.blaufeuer.info/aktuelles-nuernberg vergeben.

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