Rasante Abenteuer in der Heiligen Nacht
30.11.2014, 21:27 UhrWeihnachten. Das ist für die alleinerziehende Mutter (Karin Schubert aus der Frankenschau) das Fest der Feste, mit Herz und Gefühl. Für ihre missratenen Bälger Lili und Robbi hingegen voll langweilig und übelste Gefühlsduselei. Das Einzige, was für die Kinder zählt, sind die Geschenke. Statt daheim unterm Tannenbaum zu veröden, zieht es Lili und Robbi (Geschwister auch im richtigen Leben: Marie und Jonathan Hörburger) in die Felsengänge unter der Altstadt, wo sie mit ihren Freunden Party feiern wollen.
Indes, in den Felsengängen verirren sie sich, nicht nur räumlich und zeitlich, sondern auch ideell, und laufen dem guten wie dem bösen Prinzip in die Arme. Das Gute an sich ist die Fee Norika (Carina Poleschinski), ausgestattet mit einem Brautkleid und umwuselt von vier putzigen Mädelchen, die allein schon durch ihre Weihnachtsengelchen-Aura die Herzen erobern. Und die braucht es auch, denn Norika selbst bleibt im Stück merkwürdig passiv. Für mehr spirituelle Power darf noch der Geist Albrecht Dürers seinen Segen erteilen. Aber was bewirkt diese Figur bei nur einem einzigen Auftritt? Das bleibt das Geheimnis der Autoren.
Indes, Süßigkeit und Rührseligkeit haben keine Chance gegen das Böse. Denn die Bösen sind doch immer die interessanteren Charaktere. Hier ist es der Nusskaspar, Thomas Hartkopf singt und spielt ihn mit famoser Infamie, mit köstlich-kindischer Lust am Boshaften und Destruktiven. Kaspar will die Kinder auf seine Seite ziehen und bedient sich hierzu der sieben Todsünden: Trägheit, Völlerei, Geiz, Neid, Eitelkeit, Wolllust und Zorn. Jede Figur tritt in einer entsprechenden Maske auf, wird begleitet von willfährig kriechenden Sklavinnen und per Videoprojektion umrahmt von sinistren Schreckensgestalten und gepeinigten Seelen aus Boschs und Breughels Hexenküchen. Ja, da kommt Freude auf, wenn per optischem Trick die Bäuche im Schlaraffenland sich blähen! Und Freude kommt erst recht auf, wenn Kaspar den materialistisch infizierten Robbi per Habsucht auf seine Seite zieht. Somit spielt die böse Schar das brave Gute doch glatt an die Wand. Wo gibt es denn so was im Weihnachtsmusical?
Doch bevor das Böse vollends triumphiert, greifen Autor und Regisseur Werner Müller und Komponist Andreas Rüsing – die schon mit „Christa“ und „PanNai“ Erfolg hatten – tief in die raumzeitliche Trickkiste. Lili bandelt im Mittelalter mit dem Gesellen Hartmut (Thomas Bernardy) an, jener verkannte Gesell, der den Wunschring ins Schmiedegitter des Schönen Brunnens einbosseln will. Auch Kaspar setzt seinen eigenen Ring der Macht ein, doch wer hat die wahre Macht? Wer ist stärker, Gier oder Liebe, Eigennutz oder Selbstlosigkeit? Ist ja klar, Lili führt Robbi viel zu schnell auf den Pfad der Tugend zurück und ein herzallerliebster Choral scheucht Kaspar in die Unterwelt hinab.
Happy End in der Gegenwart mit geläuterten Kiddies, Triumph des Guten und stehende Ovationen im Heilig-Geist-Spital. Fazit: eine rasante Partitur mit hoher Textverständlichkeit. Und für ein Weihnachtsmusical verfügt „Norika“ über wesentlich mehr Pfeffer und Paprika als Zucker.
Die nächste Aufführung findet am Donnerstag, 4. Dezember, 19.30 Uhr, im Heilig-Geist-Saal, Hans-Sachs-Platz 2, statt.
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