"Da gibt es keinen Schmu"
Richter am Berufsgericht: Ein Nürnberger Anwalt erzählt, wie es ist, über Kollegen zu urteilen
10.1.2025, 05:00 UhrAnwältinnen und Anwälte vertreten ihre Mandantinnen und Mandaten in Rechtsfragen, manchmal in kleinen, manchmal in großen Fällen, es geht um Schuld und Unschuld, um Geld und um Gerechtigkeit. Und das alles in einem Bereich, der für Laien schwer zu überblicken ist. "Man begibt sich ja in die Hände von jemandem, von dem man ausgeht, der kennt sich da aus und der macht auch keinen Scheiß damit", formuliert es der Nürnberger Anwalt Harald Straßner. Fehler von Anwältinnen und Anwälten haben schnell katastrophale Folgen. Straßner bezeichnet seinen Job daher als "gefahrgeneigten Beruf". Ein Beruf, der mehr als andere in der Öffentlichkeit stattfinde, bei dem besonders hingeschaut werde.
Und zwar nicht nur von der Öffentlichkeit. Das Anwaltsgericht wurde geschaffen, um "den Beruf des Rechtsanwalts reinzuhalten", erklärt Straßner. "Allein die Formulierung zeigt schon, aus welchen grauen Vorzeiten das stammt." Dort landen Anwältinnen und Anwälte, die Straftaten begangen haben. Das Anwaltsgericht ersetzt aber keinen gewöhnlichen Prozess, die Angeklagten müssen sich wie alle anderen zunächst vor einem Zivil- und/oder Strafgericht verantworten. In Fällen, in denen der Ruf des Berufsstandes gefährdet oder verletzt wurde, folgt für betroffene Anwältinnen und Anwälte dann noch eine Verhandlung vor dem Anwaltsgericht.
Harald Straßner ist Rechtsanwalt in einer Nürnberger Kanzlei. Seit vielen Jahren nimmt er im Anwaltsgericht aber auch als Vorsitzender Richter auf der Richterbank Platz und wechselt damit die Rollen. Als Angeklagte sitzen dann Kolleginnen und Kollegen vor ihm. "Wenn man wie ich schon eine Zeit lang dabei ist, dann kennt man schon sehr viele Anwältinnen und Anwälte", sagt Straßner. Das tut für ihn aber nichts zu Sache, er strebe absolute Neutralität an. Es geistere das Gerücht herum, das Anwaltsgericht verliefe in einer Art Krähenprinzip, man würde sich da nicht gegenseitig die Augen aushacken. "Das stimmt so nicht", betont Straßner, "Wenn wir es machen, dann machen wir es schon vernünftig, neutral, sachlich, manchmal auch schmerzlich für den angeschuldigten Anwalt, für die angeschuldigten Anwältin. Da nehmen wir keine Rücksicht." Das gelte für alle seine Kolleginnen und Kollegen.
Trotzdem habe er schon erlebt, dass ihm mit Erstaunen mitgeteilt wurde, warum er so förmlich sei, obwohl man sich doch kenne. "Ich halte Förmlichkeiten tatsächlich auch bewusst sehr streng ein", gibt Straßner zu. Manche fänden das befremdlich, da sie ihn sonst als lockeren Kollegen kennen. Der Nürnberger hat dafür aber einen guten Grund: Distanz. "Ich würde mich auch niemals Duzen lassen, selbst wenn ich mit jemandem eigentlich per Du bin. Das ist bei mir ganz klar die Maßgabe, im Sitzungssaal siezt man sich." Das ist Harald Straßner wichtig. "Ich nehme diese Rolle sehr ernst, deswegen habe ich sie angenommen. Da gibt es keinen Schmu oder so etwas."
Wer landet überhaupt vor dem Anwaltsgericht?
Begeht ein Anwalt oder eine Anwältin eine Straftat, wird dieser Fall ganz normal vor dem Straf- oder Zivilgericht verhandelt. Eine Institution prüft im Anschluss, ob zusätzlich noch ein Schaden für die Anwaltschaft in der Öffentlichkeit besteht. Wenn das der Fall ist, muss sich der oder die Betroffene vor dem Anwaltsgericht verantworten. "Wenn jemand als Rechtsanwalt betrunken von seinem Fahrrad fällt, weil er auf einer Party war, dann interessiert das erst einmal das Berufsgericht relativ wenig. Wenn er allerdings betrunken von seinem Fahrrad fällt und er irgendwelche Beleidigungen gegenüber Polizeibeamten loslässt, er vielleicht noch laut ruf, dass er Rechtsanwalt ist, und das Ganze viele Personen mitbekommen, dann ist dieser sogenannte berufsrechtliche Überhang gegeben", erklärt Straßner. In diesem Fall müsse der Anwalt Sanktionen vom Anwaltsgericht befürchten.
Klassisch seien allerdings Verfahren, bei deinen ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin bei seiner Tätigkeit einen Fehler macht. "Ganz typisch ist, dass ein Anwalt Geld für seinen Mandanten bekommt, das Geld aber behält. Das ist dann eine klassische Verfehlung, die im Zusammenhang mit der Berufsausübung passiert ist."
Dann drohen verschiedene Sanktionen. Die sehen anders aus als bei Straf- oder Zivilgerichten. Das Anwaltsgericht kann keine Haftstrafen verhängen. Als geringste Strafe können Geldauflagen erteilt werden, bei schwereren Vergehen werden die Sanktionen aber auch deutlich schärfer. Eine Person kann dann aus einem bestimmten Rechtsgebiet ausgeschlossen werden. Die schärfste Sanktion ist der Ausschluss aus der Anwaltschaft. Er ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr Mitglied der Rechtsanwaltskammer. "Das ist aber die wirklich seltenste Sanktion. Da müssten schon schwere Verfehlungen da sein", sagt Straßner.
Seit zwei Jahren sind die Verhandlungen auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Zuvor sei häufiger der Vorwurf eingebracht worden, dass da Geheimverhandlungen geführt werden. "Das war nie so geplant, aber der Eindruck konnte entstehen", gibt Straßner zu. Obwohl sie beim Anwaltsgericht nicht überrannt werden, sei es trotzdem wichtig, dass die Öffentlichkeit zu 100 Prozent hergestellt ist.
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