Schrott-Fahrräder in Nürnberg: So geht die Stadt dagegen vor
10.4.2018, 05:40 UhrWem an einem öffentlichen Fahrradständer ein rostiges Schrottrad mit platten Reifen den Platz versperrt, mag den Besitzer verfluchen – und sich über die Stadt ärgern. Letztere steckt bei der Entsorgung der herrenlosen Räder aber in einem Dilemma. Denn was macht einen vielleicht nur etwas in die Jahre gekommenen Drahtesel zur Fahrradleiche?
"Das ist Ermessenssache", sagt Ulrike Goeken-Haidl vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör), der in der Stadt für die Entsorgung der Schrotträder zuständig ist. Während bei Fahrrädern, die Diebe längst in ihre Einzelteile zerlegt haben, der Fall klar ist, müssen die Sör-Mitarbeiter bei allen anderen eine Einzelfallentscheidung treffen.
So wird dem Besitzer eine Entledigung unterstellt, wenn der Aufwand, ein Fahrrad zu reparieren, in keinem Verhältnis zu seinem Wert steht. Gemeint ist damit ein stark verrostetes Rad, bei dem vielleicht der Lenker fehlt oder die Felgen verbogen sind – es also nicht mehr fahrtüchtig ist. Keinen Zweifel daran, dass der Besitzer vielleicht nur im Urlaub oder in den Semesterferien ist, lässt ein von Unkraut eingewachsener Drahtesel. Weil der Eigentümer aber juristisch gegen das Entfernen seines Fahrrads vorgehen kann, fotografieren die Sör-Mitarbeiter jedes herrenlose Rad vor seiner Entfernung.
Roter Zettel an der Fahrradleiche
Das gilt auch für Räder, die einen Gehsteig blockieren oder anderweitig den Straßenverkehr gefährden. Bei diesen Fahrrädern fackelt Sör nicht lange. Ebenso wie bei Fahrrädern, die gut sichtbar eine Werbetafel zur Schau stellen und unerlaubterweise zu Werbezwecken an einer Straße abgestellt wurden.
Bevor die Sör-Mitarbeiter aber tatsächlich einen Bolzenschneider zur Hand nehmen, bekommen die Fahrradfahrer sechs Wochen Zeit, ihr Rad abzuholen. Am Rahmen flattert dann ein roter Zettel, auf dem die gesetzte Frist steht. Aber auch nach deren Ablauf landet kein fahrtüchtiges Fahrrad in der Schrottpresse. Räder, die über ihre Fahrradnummer von der Polizei als gestohlen ermittelt werden können, gehen an ihre Besitzer. Bei allen anderen haben die Eigentümer noch ein halbes Jahr Zeit, es im Fundbüro abzuholen. "Das kommt aber eher selten vor", sagt Goeken-Haidl. Der Großteil der Fahrradleichen wird deshalb von der Noris-Arbeit ausgeschlachtet oder hergerichtet und verkauft.
300 bis 400 Schrotträder kämen jedes Jahr in Nürnberg zusammen, sagt Goeken-Haidl. Ein Problem, das andere bayerische Städte ebenfalls beschäftigt. In München werden jährlich stolze 3000 fahruntüchtiger Räder eingesammelt.
Stadt will mehr Radständer aufstellen
Auch die WBG kennt das Problem. Wie viele Schrotträder sie einsammeln, kann Sprecher Dieter Barth nicht sagen. Bevor herrenlose Räder in den Hinterhöfen oder an Spielplätzen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft entfernt werden, markieren die Mitarbeiter sie aber, ähnlich wie die Stadt, mit einem Aufkleber, der eine Frist setzt. "Es werden nur wirklich fahruntüchtige und schrottreife Räder entsorgt", sagt Barth.
Die meisten Schrotträder sammeln sich in Bahnhofsnähe – und oft blockieren sie einen Fahrradständer. 1600 Bügel zum Abstellen gibt es allein in der Nürnberger Altstadt. Wobei an 80 Prozent davon zwei Räder angeschlossen werden können. Dass mit der steigenden Zahl der Abstellmöglichkeiten die Fahrradleichen zunehmen, glaubt Andrea Meier vom städtischen Verkehrsplanungsamt aber nicht.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) argumentiert: "Das unkoordinierte Abstellen von nicht mehr funktionsfähigen Fahrrädern geschieht meist dort, wo es kaum oder viel zu wenige Fahrradparkplätze gibt." Darum fordert der ADFC, Abstellplätze in ausreichender Zahl an Schnittstellen zwischen Bus und Bahn und öffentlichen Einrichtungen zu schaffen.
In Nürnberg soll bis Ende dieses Jahres die Zahl der Fahrradständer in den Stadtteilen von 1400 auf 1800 Bügel wachsen. Denn die Zahl der Fahrradfahrer in der Region steigt. Während 1997 der Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr auf dem Weg zur Arbeit bei acht Prozent lag, waren es 2015 schon 15 Prozent. Doch mit der zunehmenden Zahl an Fahrrädern scheint sich auch das Verhältnis zu Eigentum geändert zu haben. Früher sei das Rad ein wichtiger Wertgegenstand gewesen, "heute lässt man ein kaputtes Rad einfach stehen", sagt André Winkel von SÖR.
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