Schwierige Suche nach der Wahrheit

26.10.2012, 00:00 Uhr
Schwierige Suche nach der Wahrheit

© Horst Linke



Ein Komplize, der die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gesteht, dazu eine Abhörfalle für die mutmaßliche Drahtzieherin eines gewaltigen Versicherungsbetruges — eigentlich versprach der Prozess um das gesprengte Traditionslokal „Zum Klösterle“ im Nürnberger Stadtteil Pillenreuth schon zu Prozessbeginn ein rasches Ende.

Doch inzwischen vergingen vor der 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth 14 Verhandlungstage. Und während die 63-jährige Wirtin Irmgard Z. den Vorwurf, die Explosion absichtlich ausgelöst zu haben, hartnäckig bestreitet, beharrt der Hilfskoch (48) auf seinem Geständnis und belastet seine Ex-Chefin schwer.

Vor den Richtern nehmen also an jedem einzelnen Verhandlungstag — inzwischen wird mit Terminen bis in den Dezember gerechnet — zwei höchst unterschiedliche Angeklagte Platz. Die Richter sehen die Person, die sie mit der Unwahrheit bedient — doch wer dies ist, soll in der Beweisaufnahme herausgefunden werden.

Welchen Grund sollte der Hilfskoch haben, seiner Ex-Chefin eine „heiße Sanierung“ in die Schuhe zu schieben? Fest steht: Quang T. hinterließ am Abend des 3. Januar 2012, als er im „Klösterle“ zwei Gasleitungen öffnete, DNA-Spuren. Einen Monat nach der Tat landete er in Untersuchungshaft. Doch nur einen weiteren Monat später wurde der Haftbefehl gegen ihn außer Vollzug gesetzt. Er hatte „ausgepackt“ und bei den Ermittlern behauptet, die Explosion, die in der Nacht zum 4. Januar den Stadtteil Pillenreuth erschütterte, habe er auf Anweisung seiner Chefin ausgelöst.

Um auch gegen sie Beweise in der Hand zu halten, traf er Irmgard Z., verkabelt mit einem Aufnahmegerät. Eine Aussage, die sie als Rädelsführerin eindeutig überführen würde, ergatterte er jedoch nicht. Doch der ermittelnde Staatsanwalt versprach ihm, im Prozess höchstens eine dreijährige Freiheitsstrafe zu beantragen.

Belastet T. die Wirtin, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Erhofft er sich als „Kronzeuge“ Strafrabatt? Welches Motiv hätte er gehabt, das Lokal zu zerstören?

Irmgard Z. schildert kleinere Streitigkeiten. Immer wieder deuten die Wirtin und ihre beiden Verteidiger Ärger an. Mit einem Nachbarn, mit einem Stammgast. Mit dem Koch. Auch von einem früheren Anschlag auf das Auto der Wirtin ist die Rede. Ist sie Opfer eines Neiders? Sollte dieser unbekannte Dritte gemeinsame Sache mit dem Koch machen?

Längst darf das Verfahren als überlang bezeichnet werden — eine Länge, die ihre Ursache vor allem in immer neuen Beweisanträgen der Verteidigung findet. Werden weitere, neue Zeugen benannt, müssen diese erst geladen werden. Doch die Richter dürfen den Strafprozess nicht länger als drei Wochen aussetzen, sonst müsste die Beweisaufnahme neu aufgerollt werden — die Verhandlungstage werden demnach kürzer, und um besagte Fristen nicht zu verletzen, werden kurze Termine eingeschoben.

Doch neue Zeugenaussagen werfen neue Fragen auf. So sind weitere Beweisanträge der Verteidiger, freilich deren gutes Recht, programmiert, und das Verfahren schleppt sich weiter dahin. Dabei dient nicht jeder Zeuge auch der Wahrheitsfindung. Dabei kommt es den Richtern für ihre spätere Beweiswürdigung vor allem auf eines an: Welches Motiv sollte Irmgard Z. gehabt haben, das „Pröbstinnenhaus“ aus dem 17. Jahrhundert, in dem schon ihre Eltern ein Lokal betrieben, zu zerstören?

Fest steht: Sie stand mit 286000 Euro bei einem privaten Gläubiger in der Kreide. Dass sie ab und zu Zimmer in ihrem Gasthaus schwarz vermietet und Einkäufe nicht in der Buchhaltung vermerkt hatte, gab sie zu. Sie hatte schon länger überlegt, das Lokal zu verkaufen.

Für Z. geht es im Prozess um alles: Sie hat ihren Arbeitsplatz und damit ihr Wohnhaus verloren, sie steckt bis über beide Ohren in Schulden und im Fall einer Verurteilung erwartet sie eine mehrjährige Haftstrafe.
 

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