Sex mit Behinderten: Das lernen Prostituierte in Kursen

4.9.2014, 09:45 Uhr
Auf der Visitenkarte von Bärbel Ahlborn ist "Ansprechpartnerin für Sexarbeit" zu lesen.

© David Ebener/dpa Auf der Visitenkarte von Bärbel Ahlborn ist "Ansprechpartnerin für Sexarbeit" zu lesen.

Bei der Nürnberger Beratungsstelle Kassandra lernen Prostituierte, worauf sie beim Sex mit Behinderten achten müssen. Für die Sexualbegleitung am wichtigsten sei die Kommunikation mit den Klienten. Die Leiterin der Beratungsstelle, Bärbel Ahlborn, erklärt, was die Frauen in den Kursen lernen.

Schon zum zweiten Mal bilden Sie Prostituierte zum Sex mit Behinderten aus. Ist die Nachfrage tatsächlich so groß?

Ahlborn: Schon bevor wir den ersten Sexualbegleitungs-Kurs angeboten haben, erreichten uns bei Kassandra immer wieder Anfragen von Alten- und vor allem Behinderteneinrichtungen, ob es denn nicht Frauen gebe, die da etwas „Spezielleres“ anbieten. Wir haben festgestellt, dass es in ganz Deutschland kein Fortbildungsangebot gab und gibt, das Menschen, die diese besondere sexuelle Dienstleistung anbieten möchten, die notwendigen theoretischen Inhalte vermittelt. Jetzt kommen zu unserem Kurs nicht nur Teilnehmer aus Nürnberg. Einige Teilnehmer fahren mehrere 100 Kilometer, reisen aus dem Ruhrgebiet oder Baden-Württemberg an.

Wie haben Sie sich auf den Kurs vorbereitet?

Ahlborn: Zuerst haben wir Kontakt mit der Familienberatungsstelle Profamilia aufgenommen und zu einer Diskussionsrunde für Leiter von Alten- und vor allem Behinderteneinrichtungen geladen. Wir wollten wissen, unter welchen Umständen und Bedingungen sie bereit wären, Prostituierte in ihr Haus zu lassen.

Für viele Prostituierte ist ihr Beruf ein Gelegenheitsberuf. Selten bleiben sie lange an einem Ort. Da war es den Heimleitern wichtig, zu wissen, dass die Frauen und Männer wissen, was sie tun. Deshalb bekommen unsere Fortbildungsteilnehmer ein Zertifikat über ihre Ausbildung zum Sexualbegleiter. Außerdem war den Heimleitern wichtig, einen Ansprechpartner zu haben, der nicht von Prostitution lebt - deshalb Profamilia, für die Sex und Behinderung auch schon ein Thema für Vorträge war, bevor wir es unseren Kurs gab.

Was lernen die Prostituierten bei ihnen im Kurs?

Ahlborn: Der Kurs richtet sich nicht nur an Prostituierte, sondern an alle, die in der Sexarbeit tätig werden wollen und dabei mit Menschen mit Behinderung arbeiten möchten. Vergangenes Jahr haben auch zwei Männer mitgemacht. Unsere Teilnehmer interessiert immer am meisten, etwas über verschiedene Behinderungen zu erfahren. Auch rechtliche Fragen kommen immer wieder. Uns sind Reflexionsrunden über das, was die Prostituierten ohnehin schon tun, wichtig: Viele unserer Teilnehmer sind bereits als Prostituierte tätig und haben als solche immer wieder Menschen mit Behinderungen als Kunden.

Wir versuchen Wert darauf zu legen, über Kommunikation zu sprechen: Wie kriege ich Wünsche heraus und kann auf Bedürfnisse eingehen? Da ist es zum Beispiel wichtig, möglichst einfache Fragen zu stellen. Wenn jemand künstlich ernährt wird, dann hat er einen Schlauch im Bauch. Wir ermutigen unsere Teilnehmer, direkt nachzufragen, ob es wehtut, wenn der berührt würde. Oft hat man verbale Hemmungen im Umgang mit Behinderten und Kranken, die viel größer sind, als die körperlichen Hemmungen.

 

Zur Person: Bärbel Ahlborn, 1960 in Nordheim (Niedersachsen) geboren, ist seit fünf Jahren bei der Beratungsstelle für Prostituierte Kassandra tätig. Sie leitet die Beratungsstelle seit zweieinhalb Jahren. Zuvor war die gelernte Erzieherin in einem Wohnheim für geistig und psychisch Behinderte tätig. Bereits dort war Sex und Behinderung für sie ein Thema. Nach einer Fortbildung im Sozialmanagement kam sie zu Kassandra.

 

Hier geht's zu einem Bericht über einen betroffenen Nürnberger, der die Dienste von Prostituierten in Anspruch nimmt.

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