Weltfrauentag am 8. März

Sexismus im Alltag einer Frau - verändert, doch immer noch da

Vanessa Neuß

Volontärin

E-Mail zur Autorenseite

8.3.2022, 05:55 Uhr
Benevolenter Sexismus hat keine böse Absicht, dennoch stellt er Frauen auf eine niedrigere Stufe.

© Imago Benevolenter Sexismus hat keine böse Absicht, dennoch stellt er Frauen auf eine niedrigere Stufe.

Eine Frau mit blonden langen Haaren sitzt im Büro und tippt auf ihrer Tastatur - bis der Rechner plötzlich herunterfährt und eine wirre Fehlermeldung anzeigt. Bevor sie sich das Problem genauer anschauen kann, eilt ein Kollege zur Hilfe: "Ich erledige das schnell für dich". Oder: Ein erstes Date in einem schönen Restaurant - Der Abend lief gut, die Gespräche flossen ohne Mühe. Die Kellnerin bringt die Rechnung und der männliche Arm streckt sich sofort nach ihr aus: "Das geht natürlich auf mich. Du bist eingeladen, wie es sich gehört".

Von Situationen wie diesen kann beinahe jede Frau berichten, und es gibt auch einen Namen dafür: benevolenter - also wohlwollender - Sexismus. "Männer sehen sich bisweilen als Wohltäter. Das mag freundlich gemeint sein, reproduziert aber zugleich Stereotype", sagt Renate Bitzan, Professorin für Gesellschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Gender und Diversity an der Technischen Hochschule Nürnberg. Oft stecke keine böse Absicht hinter den Aussagen, und dennoch implizierten sie, dass Frauen von Grund auf emotionaler oder technisch nicht so begabt und deshalb auf die Hilfe eines Mannes angewiesen seien. "Frauen werden oft weniger Kompetenzen zugesprochen" und der Mann könne nach gängigem Rollenklischee helfen, so Bitzan.

Im Gegensatz zu dieser "nett gemeinten" Art des Sexismus steht der hostile - also der feindliche - Sexismus, erläutert die 57-jährige Professorin. Hier handelten Männer "krass abwertend". Sexismus sei ein strukturelles Problem, das durch die Rollen von Mann und Frau entstanden ist und viele verschiedene Formen hat.

Klassisches Rollenverständnis

Das traditionelle Frauenbild, das beinhaltet, dass Frauen sich um den Haushalt und die Bedürfnisse des Mannes kümmern und generell das schwache Geschlecht sind, habe sich erst mit der Industrialisierung entwickelt, so Bitzan. "In den 1950er und 60er Jahren war dieses Bild am weitesten verbreitet." Junge Menschen würden sich zunehmend von diesem klassischen Rollenverständnis distanzieren, sagt die Professorin. "Doch das ist oft vorbei, wenn das erste Kind kommt." Dann übernehme noch heute meistens die Frau den Großteil der Erziehungs- und Care-Arbeit.

Sexistische Kommentare oder Handlungen werden generell sehr subjektiv wahrgenommen, sagt die Forschung. Eine ojektive Einordnung ist zwar möglich - wie Frauen aber persönlich Sexismus wahrnehmen und verarbeiten kann nicht bemessen werden. Das hat laut Bitzan mehrere Gründe. Zum einen sehen sich Frauen ungern in der Opferrolle und identifizieren sich nicht mit feministischen Ideen. "Ich brauche das alles nicht, Frauen sollen sich nicht so anstellen", heißt es oft auch von jungen Frauen. Diese Einstellung halte allerdings meist nur, bis sie erste diskriminierende Erfahrungen sammeln, schildert Bitzan. Dann passiere oft eine Änderung im Verhalten und in der Sicht auf Sexismus.

Sexismus verändert sich

Außerdem lauere "eine Gefahr" im Verharmlosen sexistischer Handlungen", so die 57-Jährige. Übergriffe an Frauen kleinzureden sei unsolidarisch. Dennoch gäbe es Anlass zur Hoffnung, dass Sexismus mehr Beachtung in der Gesellschaft finde. "Man wundert sich heutzutage oft, was noch vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten als normal oder nicht skandalös hingenommen wurde", sagt Bitzan. Da ändere sich auf jeden Fall etwas.

Vergewaltigung in der Ehe ist beispielsweise seit 1997 strafbar, vorher wurde es nicht als Verbrechen angesehen. Und eine Statistik der Polizei, in der festgehalten wird, wie viele Femizide - also die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts - begangen werden, gibt es immerhin seit 2014. "Das einfache Dulden und Hinnehmen von krassen Ungerechtigkeiten nimmt ab", so die Professorin, "erledigt ist allerdings noch längst nicht alles".

Tipps der Expertin

Häufig kommt es vor, dass Frauen, die sexistisch angegangen werden, in den jeweiligen Situationen in eine Art Schockstarre verfallen und nicht reagieren können. Renate Bitzan fällt es schwer, spezifische Tipps zu geben, wie sich Frauen am besten verhalten sollten, da jede Situation und auch das Empfinden individuell sei. Dennoch empfiehlt die Expertin, Situationen im Vorfeld gedanklich durchzuspielen und sich passende Reaktionen zu überlegen. Außerdem könne es helfen, sich, wenn es möglich ist, Verbündete zu suchen und nicht alleine in der Situation zu bleiben. Wenn es wirklich bedrohlich werden sollte, sollten sich Frauen aus der Situation befreien und sie bewusst verlassen.

Keine Kommentare