Sieben Jahre Gefängnis nach Messerattacke im Won

18.4.2014, 20:35 Uhr
Die Täterin zog die Tatwaffe aus dem BH und stach brutal zu (Symbolbild).

© colourbox.de Die Täterin zog die Tatwaffe aus dem BH und stach brutal zu (Symbolbild).

Am Donnerstag verurteilte sie das Schwurgericht wegen versuchten Totschlags zu sieben Jahren Freiheitsstrafe.

Fröhlich und ausgelassen begann der Abend vor dem 3. August. Mary D. (Namen der Betroffenen geändert), Ehefrau eines US-amerikanischen Soldaten traf sich mit Freunden in ihrer Wohnung in Vilseck. Man unterhielt sich und genehmigte sich einen Drink. Gegen Mitternacht machte sich die Gruppe auf den Weg nach Nürnberg in die Diskothek WON.

Dort stießen Mary und ihre Freundinnen mit einer anderen Gruppe junger Frauen zusammen. Aus der harmlosen Rempelei entwickelte sich ein handfestes Gerangel, man schubste sich, Fäuste flogen. Auch die Angeklagte, eine zierliche, ja fast puppenhafte schwarze Frau, schlug mindestens dreimal auf die 28-jährige Andy W. ein. Disco-Besucher mussten die streitenden Frauen trennen.

Bis zu diesem Zeitpunkt wäre das Geschehen kaum eine Schlagzeile wert gewesen. Denn Prügeleien kommen auf der Party-Meile am Kohlenhof regelmäßig vor. Was in dieser Nacht, gegen halb drei Uhr am Morgen passierte, war aber alles andere als alltäglich: Mary D., das ergab die Beweisaufnahme vor dem Nürnberger Schwurgericht, kehrte zu der gegnerischen Clique zurück. Offenbar fühlte sie sich durch eine leere Plastikflasche, die durch die Luft flog und sie traf, provoziert. Sie zog ein Taschenmesser aus ihrem BH, öffnete es und rammte es Andy W. mit voller Wucht und bis zum Heft in die linke Leiste.

Die 28-jährige Studentin brach blutend zusammen. Gut acht Zentimeter tief war der Stichkanal, ein großes Blutgefäß wurde durchtrennt, referierte ein Gutachter. Andy W. hätte binnen kürzester Zeit verbluten können, so der Rechtsmediziner. Dass sie den Angriff überlebte, ist dem beherzten Eingreifen eines Rettungssanitäters zu verdanken, der zufällig Gast in der Disco war. Bis zum Eintreffen des Notarztes stillte er die Blutung.

In dem unübersichtlichen Gewimmel sah kein einziger Zeuge den folgenschweren Stich. Mary D. konnte mit ihren Freunden unbehelligt das WON verlassen.

Geständnis nach Lügendetektortest

Bei den Ermittlungen kam jedoch schnell der Verdacht auf, dass die Gruppe US-Amerikaner in den Fall verwickelt sein könnten. Deutsche und amerikanische Behörden fahndeten gemeinsam. Nach einem Lügendetektortest bei der US-Militärpolizei gab Mary D. schließlich die Messerattacke zu. Später widerrief sie ihr Geständnis, um es beim Ermittlungsrichter und zum Prozessauftakt im März vor dem Nürnberger Schwurgericht erneut zu wiederholen.

Diesen Umstand wollten ihre Verteidiger, Alexander Seifert und Harald Bleicher, vom Gericht bei der Urteilsfindung besonders gewürdigt wissen: Ohne das Geständnis, so die beiden Rechtsanwälte, hätte man die 24-Jährige niemals überführen können.

Was allen Kopfzerbrechen bereitete, war die Frage nach der Ursache für den Gewaltausbruch. Mary D. war bis zum 3. August eine völlig unauffällige Person. Sie kam noch nie mit dem Gesetz in Konflikt, trank nicht, nahm keine Drogen und war auch psychisch gesund. In ihrer neuen Heimat Vilseck fand sie schnell Anschluss, sowohl unter den amerikanischen Armee-Angehörigen als auch im zivilen Umfeld.

Was trieb die Hausfrau zu diesem folgenschweren Ausraster. War es der Frust über Eheprobleme? Ihr Mann war seit längerem in Afghanistan stationiert, das Paar sprach bereits über eine Trennung. War es der Alkohol? Laut Berechnungen des psychiatrischen Gutachters Thomas Lippert kann Mary D. an jenem Abend nicht mehr als ein Promille gehabt haben — ein Wert, der einen Ausraster im Vollrausch ausschließt. Auch die 24-Jährige selbst konnte es sich nicht erklären: „Ich hätte nie gedacht, dass ich zu so einer Tat überhaupt in der Lage gewesen wäre.“ Dass sie überhaupt ein Messer einstecken hatte, begründete sie mit Angst vor Vergewaltigern, die sich in ihrem Wohngebiet herumtreiben sollen.

Für Andy W., das Opfer, war der Ausraster am 3. August fatal: Wochenlang lag die 28-Jährige im Krankenhaus. Einer Notoperation folgten unzählige weitere Eingriffe. Ihr Bein wird sie vermutlich nie wieder richtig benutzen können. Es droht zudem auch noch die Amputation des Fußes. Nach dem Vorfall musste die junge Frau ihr Jura-Studium aufgeben. Auch um Haushalt und Kinder kann sie sich nicht mehr alleine kümmern.

Tod billigend in Kauf genommen

Für das Schwurgericht unter Vorsitz von Richter Gerhard Neuhof stand am Ende fest: Mary D. hat sich des versuchten Totschlags schuldig gemacht. Sie habe den Tod der Frau billigend in Kauf genommen. „Wer in blinder Wut, ohne sich weiter Gedanken zu machen, auf sein Gegenüber so heftig einsticht, dass das Messer bis zum Heft im Körper steckt, der weiß, dass sein Opfer hieran sterben kann.“

Weil Andy W. beinahe verblutet wäre und die Folgen für sie und ihre Familie so schlimm sind, verurteilte das Gericht Mary D. zu sieben Jahren Gefängnis. Neben versuchten Totschlags wurde die Frau auch der schweren und gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden. Staatsanwältin Elisabeth Böhmer hatte sogar achteinhalb Jahre Haft gefordert. Die Verteidiger wollten keinen Tötungsvorsatz erkennen und beantragten jeweils vier Jahre Gefängnis.

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