"Singen kann jeder": Frau Di Rosa cooler Schulchor
17.5.2019, 09:09 UhrAuch Caroline Di Rosa steht, die Finger liegen auf den Tasten, ihren rechten Fuß platziert sie auf dem Pedal des Klaviers. Mit einem ersten Ton gibt sie die Stimmhöhe vor. "Sonne, Wonne, Tonne, Tanne, . . ." intonieren alle, erst im mittleren Bereich, dann werden die Stimmen Wort für Wort höher. Die Probe des Dürerchors beginnt.
Heute fehlen einige, die Elften sind auf Exkursion. Vollständig besteht der Chor aus 86 Sängerinnen und Sängern. 40 Auserwählte dürfen vom 23. bis zum 26. Mai in Saarland auf Tournee gehen und das Bundesland Bayern vertreten: Der Dürerchor hat bei der diesjährigen Landesbegegnung des Jugend-Musikfestivals "Schulen musizieren" in Ansbach den ersten Preis gewonnen.
"Ich will kein Ssssssss, das bis übermorgen hallt. Ich will ein S, das schnell abschließt", sagt Caroline Di Rosa. Der Chor übt das Volkslied "Kein Feuer, keine Kohle", das zum Repertoire der Festival-Auftritte gehört. Die Aussprache ist exakt, die Einsätze stimmen. Die Musiklehrerin hört trotzdem die kleinste Unstimmigkeit. "In Takt 42 gibt es noch Schwachstellen."
Caroline Di Rosa erwartet Präzision, Konzentration und Einsatz von ihren Schülern. "Sie kann schon streng sein", sagt Abiturient Fabian Wienck, 18. "Aber sie formuliert immer freundlich. Und vor allem behütet sie uns." Fabian ist seit der neunten Klasse dabei, und das ist gerade für einen jungen Mann ungewöhnlich.
"Im Chor zu singen, galt schon immer als uncool", sagt Caroline Di Rosa. "Vor allem für Jungs." Trotzdem findet sie immer Freiwillige, wenn sie in Vertretungsstunden auf Stimmenfang geht – obwohl Proben auch mal in den Ferien oder am Wochenende stattfinden.
Vor zwölf Jahren hat sie die Leitung übernommen, von einer Aufteilung in Unter-, Mittel- und Oberstufe hält die 40-Jährige nichts. Und auch nichts vom Proben für den Musiksaal oder für Schüler- und Elternauftritte. "Meine Intention war es von Anfang an, einen Konzertchor aufzustellen." Sicher, das Wahlfach soll Spaß machen. "Aber es ist auch harte Arbeit. Ich nehme es genau und schaue, wie weit wir gehen können."
Mit Erfolg. Bis zu zwölf Konzerte meistert der Schülerchor auf lokaler, regionaler und sogar internationaler Bühne pro Jahr, Weihnachts-Gottesdienste in der Lorenzkirche oder der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche und karitative Auftritte in Seniorenheimen gehören mittlerweile zum Standard-Repertoire. Der Dürerchor hat sogar drei CDs veröffentlicht.
Ein uncooles Wahlfach, eine fordernde Lehrerin, Proben in der Freizeit und trotzdem: Die Schüler, die einmal gekommen sind, bleiben in der Regel auch - über Jahre. Schüler wie Fabian, der zwölfjährige Niklas oder Katrin Ludwig, die ebenfalls Abitur schreibt und seit der fünften Klasse dazugehört.
Für die drei ist Chor vor allem: eine wertvolle Gemeinschaft über Klassen- und Altersgrenzen hinaus. Und eine Kraftquelle: das Gefühl, gemeinsam etwas zu erarbeiten und aufzubauen, die Auftritte, die Überwindung, vor anderen zu singen, die persönliche Weiterentwicklung - all das stärkt das Selbstbewusstsein enorm. Früher, sagt Fabian, sei er vor Referaten sehr aufgeregt gewesen. "Jetzt schon lange nicht mehr."
"Der Tenor: Ihr habt da mehr Potenzial, macht auch mehr draus und euch nicht so klein!" Caroline Di Rosa gibt wieder den Ton an. "An alle: Wacher Blick nach vorne! Das Publikum will euch sehen!" Die Chorleiterin erinnert ihre Schüler daran, für wen sie singen. Singen, kann das überhaupt jeder? "Ja", sagen Katrin, Niklas und Fabian. "Ja", sagt auch ihre Lehrerin. "Singen ist wie Sport: Man kann es trainieren."
Auch Musikalität ist keine Voraussetzung, Zuverlässigkeit dagegen schon. Treffpunkt um 12 Uhr am Bus bedeutet: Treffpunkt um 12 Uhr am Bus; 21.30 Uhr Schlafenszeit heißt: genau das. Zu den Kriterien, wer für einen Auftritt ausgewählt wird, gehört nicht nur, ob die Sänger Lieder und Einsätze beherrschen. Sondern auch, ob sich Di Rosa auf sie verlassen kann. Das erhöht den Ehrgeiz und Bereitschaft, nach den Regeln der Lehrerin zu spielen. Denn auftreten will jeder.
"Und jetzt bleiben die stehen, die bei der Bundesbegegnung dabei sind." Die Konzertreise ins Saarland rückt näher, Caroline Di Rosa bleibt gelassen. Sie spielt die ganze Probe stehend Klavier, eine Hand gibt ständig Zeichen, sie gibt viele Anweisungen und hört alles. Und fast geht das Lob mitten in ihrer Lebendigkeit unter. Aber nur fast. "Ich weiß, mein ständiges Kritisieren hört sich an, als wäre gar nichts gut. Das stimmt überhaupt nicht. Ihr seid toll! Aber ich weiß: Da geht noch mehr."
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