Solidarität mit Nürnberger Ärztin: Erster Erfolg gegen Ausweisung
6.1.2021, 21:02 UhrSo ist der Anhörungszeitraum, in dem Büyükavci bei der Ausländerbehörde Gründe gegen ihre Abschiebung vorbringen kann, bis zum 15. Januar verlängert worden. "Unser wichtigster Grund ist: Wir mögen sie, wir brauchen sie", sagt Schneeweiß unter dem Beifall der Demonstranten. Büyükavci, die sich bei ver.di ehrenamtlich engagiert, gilt als Sympathisantin der in der Türkei verbotenen Partei TKP/ML. Ihr und neun Mitangeklagten wurde in einem vier Jahre dauernden Prozess vorgeworfen, das Auslandskomitee dieser Partei zu bilden. Dafür ist sie vom Oberlandesgericht München im Juli 2020 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
"Absurdes Urteil"
Schneeweiß und seine Mitstreiter von der ver.di-Kampagne "Banu muss bleiben" halten das Urteil für absurd, weil die TKP/ML außerhalb der Türkei nicht verboten sei und Parteimitglieder sogar "häufig einen Flüchtlingsstatus in Deutschland erhalten haben", wie der Gewerkschaftssekretär in einer Pressemitteilung schreibt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Strafe wäre aber wegen der langen Untersuchungshaft, die die Ärztin zwischen 2015 und 2018 absitzen musste, ohnehin fast abgegolten. Gleichwohl droht Büyükavci, die seit 2012 am Klinikum Nürnberg arbeitet, nun seitens der Stadt Nürnberg die Ausweisung.
Folter und Gefängnis drohen
Die Demonstrationsteilnehmer sind überzeugt, dass Büyükavci bei einer Ausweisung in die Türkei von Folter und Gefängnis bedroht wäre, zudem würde ihr der Rechtsweg hier in Deutschland abgeschnitten, wo sie gegen das Urteil vorgehen will. Reka Lörincz, Grünen-Stadträtin, nimmt die Ausländerbehörde in die Pflicht, in der Stadt der Menschenrechte ihre Ermessensspielräume zugunsten Büyükavcis zu nutzen. "Leider hat sich dieses Amt bundesweit als eine der restriktivsten Behörden bekannt gemacht", sagte sie in ihrem Redebeitrag bei der Mahnwache.
Neuer Geist in der Behörde
Auch Charly Johnson, Vorsitzende des ver.di-Migrationsausschusses auf Landes- und Bezirksebene und gemeinsam mit Schneeweiß federführend bei der Banu-Kampagne, spart im Gespräch mit der Lokalredaktion nicht mit Kritik an der Behörde. Büyükavci sei bestens integriert und werde am Klinikum als Kollegin enorm geschätzt, trotzdem drohe ihr nun die Ausweisung. "Und das nur, weil sie einen türkischen Pass hat. Das ist diskriminierend", findet Johnson.
Olaf Kuch, Chef der Ausländerbehörde, hat in anderen Kontexten stets darauf verwiesen, die besagten Ermessensspielräume nicht zu haben, seine Behörde vollziehe nur geltendes Recht. Lörincz fordert dennoch einen neuen Geist in dem Amt: "Wir wollen eine Ausländerbehörde, die eine Willkommensbehörde statt eine Abschiebebehörde ist."
Fatale Situation in der Türkei
Neben Lörincz redet bei der corona-gerechten, halbstündigen Versammlung auch der pensionierte Jurist Andreas Schreiner. Er macht auf die Verhältnisse in jenem Land aufmerksam, in das Büyükavci womöglich abgeschoben wird: "In der Türkei gibt es keine die Würde des Menschen achtende staatliche Ordnung mehr. Oppositionelle oder auch Menschen, die die Regierung dafür hält, sind zum bloßen Objekt staatlichen Handelns geworden." Tausende Bedienstete des Öffentlichen Dienstes würden aufgrund vager Anschuldigungen entlassen und viele davon auch inhaftiert. "Kritische Journalisten werden systematisch verfolgt und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt." Es sei "völlig unerträglich", dass deutsche Staatsanwälte und Gerichte sich zum Gehilfen dieses Systems machten.
Schneeweiß und Johnson kündigen an, am kommenden Mittwoch wieder zur Mahnwache einzuladen. "Wir setzen weiter alle Hebel in Bewegung", sagt die Vorsitzende des ver.di-Landesmigrationsausschusses. Banu Büyükavci wirkt am Ende der Veranstaltung angesichts der erfahrenen Solidarität gerührt: "Es ist ein wunderbares Gefühl, das gibt mir Kraft und Mut."
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