Fall 11 von "Freude für alle"

Spenden weggebrochen: Nürnberger Tafel jetzt selbst in großer Not - „kriege eine mittlere Krise“

Tobi Lang

Redakteur

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24.11.2024, 14:27 Uhr
Die Tafeln sind für viele Bedürftige der einzige Weg, zumindest das Nötigste im Kühlschrank zu haben.

© Roland Weihrauch, dpa Die Tafeln sind für viele Bedürftige der einzige Weg, zumindest das Nötigste im Kühlschrank zu haben.

Woche für Woche bewegt allein die Nürnberger Tafel gut 25 Tonnen an Lebensmitteln. Für aktuell mehr als 8000 Bedürftige ist sie ein Anker, der dafür sorgt, dass der Kühlschrank mit dem Nötigsten gefüllt ist. Hinzu kommen weitere Tafeln in benachbarten Städten und dem Umland.

Die Nürnberger Tafel, die täglich Menschen hilft, braucht nun aber selbst Hilfe, denn: Aus unerfindlichen Gründen hat die Geldspendenbereitschaft rapide abgenommen. "Wir fragen uns auch warum", sagt Edeltraud Rager, die das Projekt leitet. "Aber wir haben schon Anfang des Jahres gemerkt, dass es zurückgeht."

Folgen hat das erst einmal noch keine. Der Betrieb der Nürnberger Tafel geht weiter, die Ware wird in den Supermärkten abgeholt und in verschiedenen Ausgabestellen insbesondere in der Sigmundstraße im südwestlichen Stadtgebiet an Bedürftige verteilt. Einfach wegzustecken sei das Spenden-Dilemma aber nicht. "Wir werden nicht das tollste Betriebsergebnis haben", sagt Rager und hält es für möglich, dass die Nürnberger Tafel erstmals in ihrer Geschichte defizitär arbeitet. "Und die Rücklagen, die wir haben, sind zweckgebunden für dringende Investitionen geplant." In manchen Momenten bekomme sie beim Blick auf die Zahlen schon "eine mittlere Krise".

Mehr Bedürftige und weniger Spender bei der Tafel

Die Situation ist verfahren, vor allem ist Rager aber auch ziemlich ratlos. "Ich habe keine Ahnung, woran es liegt – aber andere Vereine wie beispielsweise der Straßenkreuzer scheinen ähnliche Probleme zu haben." In den Sommermonaten kamen zwischenzeitlich so gut wie gar keine Spenden mehr, in der Vorweihnachtszeit läuft es etwas besser – aber lange nicht so, wie der Betrieb der Tafel es bräuchte. Einst zuverlässige Geldgeber halten sich unerklärlicherweise zurück.

In den letzten Jahren jagte eine Krise die nächste, auf die Corona-Pandemie folgte der Ukrainekrieg. Der spülte nicht nur viele neue Kunden, sondern auch besonders viele Spender zur Tafel. Doch diese Zeiten sind vorbei. Zwischenzeitlich mussten auch wegen Putins Aggression über 11.000 Menschen versorgt werden, während es vor dem Krieg in Anführungszeichen nur 4500 waren. Derzeit halten sich etwa 8000 Menschen mit der Tafel über Wasser, rechnet Rager vor - und damit doppelt so viele wie vor den Krisen. Ein logistischer Kraftakt, der Geld kostet, auch wenn der Großteil der Helferinnen und Helfer dort ehrenamtlich tätig ist. Die Transporter, mit denen die Lebensmittel abgeholt werden, müssen ebenso bezahlt werden wie die Infrastruktur dahinter.

Nürnberger Tafel hofft auf eine Art Galionsfigur

Die Nürnberger Tafel schlägt Alarm: Es muss sich dringend etwas ändern, denn mehrere Jahre mit derart wenig Geldspenden würden die größtenteils Ehrenamtlichen nicht durchhalten. "Die Bedingung war immer, dass wir kostendeckend arbeiten", erklärt Rager, die den Betrieb selber finanzieren muss. "Es gibt einen kleinen städtischen Zuschuss, über den wir uns natürlich freuen. Das bezahlt aber nicht alles. Die Lage ist angespannt."

Helfen könnte, natürlich neben großen und kleinen Geldspenden, auch eine Art Galionsfigur. Während Dagmar Wöhrl für das Nürnberger Tierheim wirbt, hat die Nürnberger Tafel aktuell keinen Schirmherren, der für etwas mehr Aufmerksamkeit bei Firmen und Großspendern sorgt. "So jemand könnte Türen öffnen, davon bin ich überzeugt", sagt Rager. "Wenn wir da als ein kleine Tafel von vielen hinschreiben, dann interessiert das niemanden."

"Freude für alle" unterstützt traditionell seit vielen Jahren die Tafeln in Nürnberg und der Region, die für unzählige in Not geratene Menschen eine unverzichtbare Stütze sind. Die Weihnachtsaktion des Verlags Nürnberger Presse (VNP) bittet daher heute ausnahmsweise nicht für ein Einzelschicksal, sondern für tausende Schicksale um Spenden - und dankt allen großzügigen Unterstützerinnen und Unterstützern.

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