NSU-Morde
Stadtrat fordert zweiten NSU-Untersuchungsausschuss
9.5.2021, 05:45 UhrDie Rechtsterroristen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) haben in den Jahren 2000 bis 2007 zehn Menschen in Deutschland ermordet, acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer und eine deutsche Polizistin.
Der erste Mord im September 2000 an Enver Simsek und die Morde im Juni 2001 an Abdurrahim Özudogru und im Juni 2005 an Ismail Yasar geschahen in Nürnberg. Zudem geht ein Bombenanschlag auf die Kneipe "Sonnenschein" in der Nürnberger Scheurlstraße im Jahr 1999 ebenfalls auf das Konto des NSU. Der 18-jährige Wirt, der aus einer türkischen Familie stammt, wurde dabei schwerer verletzt.
Noch immer sind die Hintergründe der Taten nicht vollständig beleuchtet. Vor allem ist unklar, wer dem NSU-Kerntrio um Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe geholfen hat, die Opfer in der Region auszuspähen. Ein gemeinsames Rechercheteam von Nürnberger Nachrichten und Bayerischem Rundfunk hat mehrfach Verbindungen des NSU in die fränkischen Neonaziszene offen gelegt. Doch die Ermittlungen kommen nicht voran.
Jetzt hat Linken-Stadträtin Özlem Demir die Initiative ergriffen und eine Resolution auf den Weg gebracht, die einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern fordert. Die Idee dazu war nach Gesprächen mit den Initiatoren des jährlichen großen Straßenfestes gegen Rassismus und Diskriminierung auf dem Nürnberger Aufseßplatz entstanden.
Serie darf sich nicht wiederholen
"In Zeiten des Wiedererstarkens von rechtspopulistischem Gedankengut und rechtspopulistischen Taten muss alles dafür getan werden, damit sich eine Mordserie wie die des NSU nicht wiederholt", sagt Demir, eine Altenpflegerin.
Zudem erinnert sie daran, dass bereits der Schlussbericht des ersten Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag im Jahr 2013 festhält, es könne sich in der neuen Legislaturperiode die Notwendigkeit ergeben, einen weiteren U-Ausschuss zur Aufarbeitung der Geschehnisse einzurichten. Denn als der Abschlussbericht verfasst wurde, hatte der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe in München noch gar nicht begonnen.
Erst durch die Aussage eines Mitangeklagten von Zschäpe wurde 2014 bekannt, dass der Sprengstoffanschlag auf die Kneipe "Sonnenschein" vom NSU verübt wurde.
Für die Sicherheit der Bevölkerung sei eine umfassende und lückenlose Aufklärung des NSU-Netzwerkes im nordbayerischen Raum ein "Muss", betont Stadträtin Demir. Sie fand Zustimmung bei den anderen Parteien.
Gemeinsam hat man eine Entschließung verfasst, die die jeweiligen Fraktionsspitzen von CSU, SPD und Bündnis90/die Grünen sowie die Sprecher der Linken, der Freien Wähler, der ÖDP, der FDP, von der Partei/Piraten, von der Politbande, von der Linken Liste und von Die Guten unterzeichnet haben.
Oberbürgermeister Marcus König wird darin aufgefordert, gemeinsam mit der Stadt München, die ebenfalls NSU-Opfer zu beklage hat, und dem Städtetag auf den Landtag einzuwirken, damit ein solches Gremium installiert wird.
Der Podcast: Chronik der NS-Morde
"Besonders die Umstände des ersten Verbrechens, des Sprengstoffanschlags auf die Gaststätte Sonnenschein im Jahr 1999, sind nicht vollständig geklärt. Als Stadt, in der diese Verbrechen passierten, ist es unsere Aufgabe, Aufklärung einzufordern. Die Unterstützerszene des NSU in Nürnberg ist immer noch nicht aufgedeckt, auch hier müssen Hintergründe und Netzwerke aufgeklärt werden", heißt es in dem Papier.
In der Stadtratssitzung am 19. Juni soll es offiziell verabschiedet werden. Es sei etwas "ganz Besonderes, dass alle demokratischen Parteien diese Resolution mittragen", betont Özlem Demir. Die vier Stadträte der bei vielen Themen rechtspopulistischen AfD hat sie nicht gefragt, ob auch sie unterzeichnen wollen. Sie könnten schließlich in der Stadtratssitzung noch zustimmen, meint die Linke.