Stadtrat will jüdisches Leben in Nürnberg sichtbarer machen

24.3.2021, 20:41 Uhr
Der Gedenkstein für die einstige Synagoge am Hans-Sachs-Platz - der Blick auf jüdisches Leben soll aber auch in die Zukunft gehen.

© Stefan Hippel Der Gedenkstein für die einstige Synagoge am Hans-Sachs-Platz - der Blick auf jüdisches Leben soll aber auch in die Zukunft gehen.

Er sei „ergriffen“, sagte Jo-Achim Hamburger, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg (IKGN), nach dem Votum des Stadtrats: Dieser hat sich einstimmig zu einer Resolution bekannt, wonach jüdisches Leben in Nürnberg „sichtbar“ und „erfahrbar“ werden soll. Das Schriftstück belässt es nicht bei Appellen, sondern nimmt konkrete Maßnahmen in den Blick: So will die Stadt für eine geplante Begegnungsstätte eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben.

Eindringliche Rede

Vor dem Beschluss hatte Hamburger in einer eindringlichen Rede darauf aufmerksam gemacht, dass außerhalb der IKGN mit ihren 2500 Mitgliedern jüdisches Leben in der Stadt kaum wahrgenommen werde und die Mehrheitsgesellschaft wenig über das Judentum wisse: „Welche ethischen Grundsätze prägen die jüdische Religion?“, fragte Hamburger. „Wer kennt zeitgenössische jüdische Literatur? Wer kennt – ja, das ist ernst gemeint – überhaupt einen Juden?“ Hamburger kritisierte, dass „oft über uns, aber nicht mit uns“ gesprochen werde.

Unbeschwerte Begegnung

Ein Ort, an dem es „zu unbeschwerten und selbstverständlichen Begegnungen zwischen Juden und Nichtjuden kommt“, könnte Abhilfe schaffen und jüdisches Leben in der Stadt sichtbarer machen. Und solche Begegnungsmöglichkeiten, das Kennenlernen, seien auch der Schlüssel für einen „Feldzug gegen Antisemitismus“. Erinnerungskultur sei nötig und richtig, aber nicht das erste Mittel zur Antisemitismusbekämpfung, sagte Hamburger.

Keine Verkürzung auf Nazi-Zeit

Zudem dürfe jüdisches Leben nicht auf die Jahre der Nazi-Diktatur verkürzt werden. Die Nürnberger Juden seien nicht nur Leidtragende der Geschichte, sondern „handelnde Subjekte“, „ein aktiver Teil der Stadtgesellschaft“. Und auch Teil des Stadtrats, dem mit Diana Liberova (SPD) ein Mitglied der IKGN angehört, wie Hamburger betonte.


Andreas Krieglstein, CSU-Fraktionsvorsitzender, stimmte Hamburgers Thesen ausdrücklich zu und betonte, dass man jüdisches Leben nicht nur „vergangenheitsbezogen“ betrachten dürfe. SPD-Fraktionschef Thorsten Brehm räumte ein, dass er kaum Berührungspunkte zu Juden gehabt habe – bevor er seinen früheren Fraktionskollegen Arno Hamburger kennenlernte.

Ehrgeiziges Projekt

Der Vater des amtierenden IKGN-Chefs war von 1972 bis zu seinem Tod 2013 Mitglied des Stadtrats. Für die Grünen lobte Achim Mletzko die Resolution, der gleichwohl deutlich machte, dass die geplante Begegnungsstätte durchaus ein ehrgeiziges Projekt darstelle: Wenn sie 2024 stehen soll, „ist das in kommunalpolitischer Zeitrechnung gewissermaßen übermorgen“.


Auch Titus Schüller (Die Linke), Jan Gehrke (ÖDP), Marion Padua (Linke Liste) und Jürgen Horst Dörfler (Freie Wähler) äußerten ihre Zustimmung zu der Resolution; in ihr ist ebenfalls verankert, dass die Stadt zivilgesellschaftliche Strukturen gegen Rassismus wie die „Allianz gegen Rechtsextremismus“ kontinuierlich stärken will. Allianz-Chef Stephan Doll, der der Sitzung in der Meistersingerhalle beiwohnte, wird es gerne gehört haben.

AfD wurde nicht gefragt

Die Resolution, die Oberbürgermeister Marcus König (CSU) dem IKGN-Chef feierlich überreichte, ist von allen im Stadtrat vertretenen Gruppierungen unterschrieben worden – mit Ausnahme der AfD. Deren Sprecher Roland-Alexander Hübscher betonte aber im Stadtrat, dass die AfD „voll hinter den Werten“ der Erklärung stehe. Man sei aber nicht gefragt worden, ob man sie unterzeichnen wolle.

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