Stichwahl trotz Corona: So gehen Nürnbergs OB-Anwärter damit um

Sabine Stoll

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23.3.2020, 05:24 Uhr

Es gibt keine Vorlage. Nichts, worauf sich die Parteien stützen könnten. Es gibt kein Handbuch, wie man Wahlkampf macht in Corona-Krisenzeiten und vor dem Hintergrund massiver Ausgangsbeschränkungen. Nur eines ist sicher, die bewährten Rezepte funktionieren nicht mehr. SPD und CSU mussten ihre in der Schublade liegenden Pläne fürs Umwerben der Wählerinnen und Wähler bis zur Stichwahl am 29. März verwerfen.

Es sei schon ein eigenartiger Wahlkampf, sagt Marcus König (CSU). Der 39-Jährige hat sich mit einem hauchdünnen Vorsprung vor Thorsten Brehm (SPD) in die Stichwahl gekämpft. Auch Brehm wirkt im Gespräch nachdenklich. "Das ist ein Wahlkampf mit angezogener Handbremse. Man möchte viel mehr machen", sagt der Kandidat der Sozialdemokraten.

Direkte Kontakte fallen flach

Eigentlich würden die beiden Kontrahenten jetzt jede öffentliche Bühne bespielen, auf die sie eingeladen würden. Und viele Mitglieder von SPD und CSU würden jetzt ausschwärmen und bei den Nürnbergerinnen und Nürnberger an den Haustüren, im persönlichen Gespräch, dafür werben, ihrem Kandidaten bei der OB-Stichwahl in Bayerns zweitgrößter Stadt die Stimme zu geben. Doch direkte Kontakte, das Herzstück eines Wahlkampfs, fallen flach. Stattdessen verlagert sich die Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger komplett ins Internet.


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König und Brehm wollen so viel wie möglich online zu sehen sein, damit der OB-Wahlkampf auf den letzten Metern kein Geister-Wahlkampf wird. König stellt sich von Erlenstegen aus in Chats Fragen und ist auf Facebook live zu erleben. Seine Parteifreunde haben in dem sozialen Netzwerk die Challenge "Ein König für Nürnberg" gestartet, in der Konservative für König werben und andere nominieren, die das auch tun sollen. Auch Brehm meldet sich aus seiner Küche in Muggenhof jeden Abend via Facebook, manchmal hat er Gäste bei sich. Sein prominentester Unterstützer war bislang OB Ulrich Maly (SPD). Mit ihm hat Brehm die Fragen der User beantwortet, die live gestellt wurden.

Corona-Thematik im Vordergrund

Corona hat auch die Themen, die unter normalen Bedingungen im Wahlkampf eine Rolle spielen würden, zum Beispiel die Verkehrspolitik, überlagert. "Wir hätten schon Material gehabt", sagt Anja Prölß-Kammerer, Fraktionschefin der Rathaus-SPD und Wahlkampf-Koordinatorin. "Doch die Leute sind im Kopf woanders. Die brauchen gerade nichts über das 365-Euro-Ticket." Man wolle sie jetzt auch nicht belästigen.

Die beiden OB-Kandidaten haben denn auch sofort in den Krisenmanager-Modus umgeschaltet. "Wir brauchen Führungskraft, Besonnenheit und klare Entscheidungen", verkündete König gleich nachdem klar war, dass er in der Stichwahl ist. Auch sein Kontrahent präsentiert sich als einer, der "die Kompetenz hat, die Stadtverwaltung auch in schwierigen Zeiten zu führen" (Brehm). Beide setzen dabei auf ein breites Bündnis im Stadtrat, also auf ein Bündnis aus CSU, SPD und den Grünen. Neben der klassischen Plakatwerbung, neben Zeitungsanzeigen oder Rundfunkspots erlebt der Telefonanruf eine Renaissance. Nicht nur in Form von Sprechstunden, in denen die Kandidaten Rede und Antwort stehen. Brehm hat zum Beispiel an seine Genossinnen und Genossen appelliert, den eigenen Bekanntenkreis abzutelefonieren – natürlich verbunden mit der Aufforderung, ihn am 29. März zu wählen.

Rückenwind für die CSU

Die CSU setzte derweil auch auf Flyer. "Damit erreichen wir einen großen Teil der Bevölkerung", hofft Sven Heublein, Geschäftsführer des CSU-Bezirksverbands. Die Flyer wurden an alle 25 CSU-Ortsverbände von Altenfurt bis Zerzabelshof verschickt und sollten dort möglichst schnell verteilt werden. Heublein drückte aufs Tempo - in der Hoffnung, die Wahlwerbung an den Mann und die Frau zu kriegen, bevor wegen Corona weitere Einschränkungen für die Bevölkerung drohten.

CSU-Kandidat König geht mit Rückenwind in den Stichwahlkampf, weil seine Partei als stärkste Fraktion ins Rathaus einziehen wird. Dafür muss sich die CSU beim Budget, das sie auf den letzten Metern bis zur Stichwahl ausgeben kann, mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Die Konservativen haben noch rund 50.000 Euro in petto. Die Sozialdemokraten, die mit der mit Abstand größten Summe, mit rund 800.000 Euro, in den gesamten Wahlkampf gestartet sind, dürften noch deutlich mehr Geld übrig haben.

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