Attraktiver Nahverkehr
Straßenbahn-Reaktivierung: Eine Chance für die Linie 9?
7.5.2021, 16:15 Uhr"9er wo bleibst du? Wir vermissen dich!" war auf einem zum Protest-Transparent umfunktionierten Bettlaken zu lesen, das Ende 2011 in einem Haltestellen-Wartehäuschen an der Pirckheimerstraße hing. Nordstadtbewohner, Pendler und vor allem die Gastronomen und Einzelhändler trauerten und trauern zum Teil bis heute ihrer Straßenbahnlinie nach.
Ach, noch schnell ein paar Blumen für die Freundin besorgen, den Freitag mit einem schönen Fischgericht beschließen oder endlich mal neue Passbilder im Fotogeschäft machen lassen. Wer früher gemütlich durch die lange Nordstadt-Straße fuhr, konnte sich vom Schaufenster-Angebot der örtlichen Geschäftsleute inspirieren lassen. Heute verkehrt man schneller und unterirdisch einige Meter weiter nördlich mit der U-Bahn-Linie 3 zwischen Rennweg und Friedrich-Ebert-Platz.
Die Eröffnung der U-Bahn auf diesem Abschnitt bedeutete 2011 das Ende der Straßenbahn. Der Bund hatte die Förderung des U-Bahnbaus damals nur unter der Voraussetzung übernommen, dass der Parallelverkehr eingestellt wird – und das für mindestens 25 Jahre. Die Straßenbahn trotzdem reaktivieren und Fördergelder zurückzahlen? Viel zu teuer! Da sind sich Verkehrsexperten aus Stadtverwaltung und Kommunalpolitik einig.
Zahlen gelten als überholt
Doch nun ändern sich die Konstellationen im Nürnberger Nahverkehrsnetz. Dadurch könnte sich vielleicht die Chance ergeben, den Regressansprüchen zu entkommen: Berechnungen über Kosten und Fahrgastzahlen, die im Nahverkehrsentwicklungsplan stehen, gelten als überholt. Das Gutachten wurde 2008 in Auftrag gegeben und 2012 im Stadtrat vorgestellt.
In wenigen Jahren wird die Stadt-Umland-Bahn (StUB) gebaut, die unter anderem den Nürnberger Norden mit dem Erlanger Uni-Südgelände verbindet. Weiterhin soll das Straßenbahnnetz bis zum neuen Campus der Technischen Universität Nürnberg (TUN) erweitert werden, die samt einem neuen Stadtteil im Nürnberger Süden entsteht.
Verkehrsplaner und Kommunalpolitiker sprechen von einer neuen "Hochschullinie". Sie würde mit der StUB die Erlanger Standorte der Friedrich-Alexander-Universität mit ihren Nürnberger Dependancen (Wiso, Campus Regensburger Straße) verbinden und auch die Evangelische Hochschule, die am Rathenauplatz einzieht, die Technische Hochschule in Wöhrd und die neue TUN einbeziehen. Musikhochschule und Kunstakademie sind über weitere Äste des Straßenbahnnetzes erreichbar.
Daher beschlossen die Mitglieder des Verkehrsausschusses des Stadtrats einstimmig, dass das Bau- und Planungsreferat der Stadt die Reaktivierung und die Idee der "Hochschullinie" weiter prüft und verfolgt.
Die Wirtschaftlichkeit der Linie könne ganz neu und deutlich besser als bisher bewertet werden, befand Max Müller, verkehrspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion. "Die Linie 9 ist ein wichtiger Lückenschluss", so Müller.
Evangelischer Campus soll am Rathenauplatz entstehen
Thorsten Brehm von der SPD sagte: "Die Reaktivierung der Linie 9 hat nichts mit Nostalgie zu tun, sondern mit der Gestaltung der Zukunft." Er forderte, dass bei einer Wiederbelebung die Strecke zeitgemäß, also zum Beispiel mit barrierefreien Haltestellen, ausgebaut wird. Auch eine Aufwertung der Pirckheimerstraße insgesamt hält er für wichtig. Mike Bock (Grüne), Jan Gehrke (ÖDP) und Titus Schüller (Linke) unterstützten den Vorstoß.
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Bedenken äußerte nur Willibald Schlesinger (AfD). Er befürchtet, dass Straßenbahnlärm die Anwohner belästigen könnte. Er stimmte aber nicht gegen den Antrag. Bau- und Planungsreferent Daniel F. Ulrich (parteilos) konnte ihn beruhigen: Moderne Anlagen würden deutlich weniger Lärm verursachen.
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