Südstadt-Laden wurde zur Weltfirma

19.11.2008, 00:00 Uhr
Südstadt-Laden wurde zur Weltfirma

© Daut

Die Brüder Adolf und Ignaz Bing betrieben seit 1863 einen Engroshandel in der Südstadt und entschlossen sich 1879 zu einer eigenen Fabrikation. Das erste Werk befand sich in der Köhnstraße 34, südlich des heutigen Marientunnels. Offensichtlich florierte das Geschäft, denn in den Neunzigerjahren des vorletzten Jahrhunderts kamen weitere Fertigungsstätten dazu: Untere Baustraße 16, Glockenhofstraße 15 und Hinterm Bahnhof 17. Eine wahrhaft dichte Konzentration in unserer Südstadt!

Und es ging weiter: 1895 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, der Ignaz Bing vorstand. Im frühen 20. Jahrhundert erwies sich die Zersplitterung der einzelnen Fertigungsstätten als immer hemmender, sodass man mit dem Bau eines völlig neuen Werkes in Gleißhammer auf dem Areal zwischen Burgerstraße, Stephanstraße und Vorderer Cramergasse begann.

1916 hatte das Werk nach sukzessiven Erweiterungen seinen Endausbau erreicht. Noch im Krieg gründete Bing die «Continentale Vertriebs-Centrale Concentra AG» als Handelsunternehmen. Nach dem Tod von Ignaz Bing 1918 leitete ab 1919 sein Sohn Stephan die Firma, zu deren Produktionsprogramm neben Eisenbahnen mit Zubehör auch Puppen, Puppenküchen, Teddybären, Dampfmaschinen, Schiffe und sogar einfache Heimkinos gehörten.

Personelle Turbulenzen – 1927 war unter anderem Stephan Bing aus dem Vorstand ausgeschieden – hinderten das Unternehmen nicht daran, die Firmenverwaltung zum 1. Juni 1928 in einem neuen großen Bürogebäude in der Regensburger Straße 215 anzusiedeln.

Die bald darauf einsetzende Weltwirtschaftskrise brachte sowohl die Bing-Fabrikation als auch den weit verzweigten Concentra-Handel in Schwierigkeiten. Erhebliche Lagerbestände konnten nur noch schwer abgesetzt werden. Zudem galt die Firma Bing als jüdisches Unternehmen, was sich möglicherweise schon vor Beginn der Nazi-Diktatur teilweise auf Kreditvergaben auswirkte. Schließlich rissen die Zahlungsschwierigkeiten der Concentra auch das Stammunternehmen mit in den Strudel – es kam am 24. August 1932 zu einem Zwangsvergleichsverfahren.

Geeignete Werkzeuge und Maschinen wurden später von den Firmen Bub (Eisenbahnen) und Fleischmann (Schiffe) übernommen. Den Firmennamen Bing erwarb Fritz Hintermayr, dessen Unternehmen bald durch seine Bing-Vergaser bekannt wurde und unter dem Namen Bing Power Systems GmbH noch heute besteht. In die Werksanlagen an der Stephanstraße zog die Firma Diehl und verlegte 1937 sogar ihre Hauptverwaltung dorthin. Die Spielwarenproduktion in Gleißhammer hatte ihr unwiderrufliches Ende gefunden.

Von den im 20. Jahrhundert entstandenen einstigen Bing-Gebäuden sind noch der große Werkkomplex an der Stephan- bzw. Burgerstraße vorhanden. Der Bau wird seit 1937 überwiegend von der Diehl-Gruppe genutzt, im nördlichen Bereich hat sich heute das Cramer Creativ Centrum angesiedelt.

Das Markenzeichen ist kaum noch zu erkennen

Wer genau hinsieht, kann auch noch an der abgeschrägten Ecke Burgerstraße/Vordere Cramergasse ganz oben das damalige Markenzeichen der Firma Bing erkennen. Leider ist gerade diese schmale turmartige Eckfront im Gegensatz zu den angrenzenden Gebäudeteilen noch nicht gereinigt worden, daher ist das Bing-Emblem nicht leicht zu entdecken.

Vorbildlich unter weitgehender Wahrung der alten Bausubstanz renoviert und geschäftlich genutzt (u.a. Ingenieurbüros) ist die einstige Bing-Verwaltung in der Regensburger Straße 215. Da sich das Haus nicht unmittelbar an der Fahrbahn befindet und dort die Regensburger Straße die Bahngleise unterquert, fährt man mit dem Auto vermutlich achtlos daran vorbei. Zugang bzw. Zufahrt erfolgen über die Pastoriusstraße.

Die älteren Fertigungsstätten mussten längst der sich ausbreitenden Stadtbebauung weichen; die genauen Standorte sind teilweise nicht mehr richtig zu ermitteln.

Dies gilt besonders für das einstige Areal Hinterm Bahnhof 17, wo der grundlegende Bahnhofsumbau Anfang des 20. Jahrhunderts viel veränderte. Die Grundstücke Untere Baustraße 16 und Glockenhofstraße 15 (an der Kreuzung Scheurlstraße) weisen Wohnhäuser auf. Nicht eindeutig ist auch die Stelle des ehemaligen Grundstücks Köhnstraße 34 zu lokalisieren. Wahrscheinlich lag die ursprüngliche Bing-Fabrik dort, wo sich auf der nunmehrigen Freifläche ein Autohandel angesiedelt hat.

Und last but not least: Hobby-Geologe Ignaz Bing hinterließ uns auch die 1905 von ihm entdeckte und nach ihm benannte Tropfsteinhöhle bei Streitberg!

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