"Supertalent"-Casting in Nürnberg: Karriere mit Knebelvertrag

03.06.2014, 05:58 Uhr

© Eduard Weigert

„Ein Purzelbaum ist doch kein Talent“, sagt ein Mitarbeiter des Casting-Teams, als er sieht, was die Journalistin als Talent im Bewerbungsbogen angibt. Mitmachen darf sie trotzdem. Während die meisten Castingshows nur Sänger, nur Tänzer oder nur Models suchen, steht die Teilnahme beim „Supertalent“ schließlich allen offen, auch denen, die nur Purzelbäume können. Hauptsache, der Kandidat setzt seine Unterschrift auf einen der Bewerbungsbögen, die vor dem Hilton- Hotel auf einem Stehtisch ausliegen.

Im Kleingedruckten steht dort nämlich (kaum verständlich), dass die Szenen, die ein Kandidat während des Castings oder sonst im Rahmen der Sendung abliefert, jederzeit auch ausschnittsweise gezeigt werden dürfen. Mögliche Konsequenz: Sollte sich ein Kandidat mit seinem Purzelbaum blamieren, so darf sich RTL beliebig oft über die Szene lustig machen. Unwiderruflich – auch das unterschreiben die Kandidaten.

Aufmerksam gelesen wird der Bewerbungsbogen von den Talenten kaum. Sie tragen schnell ihre Daten ein, setzen eine Unterschrift darunter und warten dann in einem großen Raum des Hotels auf ihren Auftritt. Drei Stunden sitzen manche schon dort – der Purzelbaum fällt aus. Die Talente werden ihre Begabung jedoch nicht etwa der „Promi“-Jury um Dieter Bohlen zeigen, sondern nur „Supertalent“-Mitarbeitern, die dann entscheiden, ob man das Ganze noch einmal vor Bohlen aufführen darf.

Helene Fischer rückwärts

„Ich bin schon im Recall“, sagt einer der Wartenden. Schon einmal hat der vollschlanke Mittdreißiger in dem pinkfarbenen T-Shirt der Jury an diesem Tag sein Talent präsentiert. „Ich kann rückwärts sprechen und singen“, sagt er. Nach dem ersten Durchgang hat ihm die Jury den Text eines Helene-Fischer-Liedes in die Hand gedrückt. Den sollte er lernen und zwischendurch ein Interview vor den Fernsehkameras geben. Was mit den Szenen passiert? Das wird sich erst zeigen, wenn die Sendung ab Herbst ausgestrahlt wird.

© Eduard Weigert

„Vielleicht sieht uns ja ein Produzent“, sagt Jasmin Dazert. Die 34-Jährige ist zusammen mit Stephan Golser zum Casting gekommen. Mit Gesang mit Mandolinen- und Gitarrenbegleitung wollen die beiden bei den Verantwortlichen der Sendung punkten.

Golser ist Neuling im Castinggeschäft, Dazert dagegen hat Erfahrung. Vor zehn Jahren schon hat sie es einmal bei „Deutschland sucht den Superstar“ probiert. Daraus geworden ist nichts, ebenso nicht aus ihrer Teilnahme bei „The Voice of Germany“. Wenn es beim „Supertalent“ nicht klappt, sagen die beiden, wäre das nicht so schlimm. Spaß an der Musik haben sie schließlich auch so.

Aufmerksamkeit für ernste Botschaften

Dass Musik nicht nur Spaß macht, sondern auch ernste Themen aufgreift, das will ein 23-Jähriger mit dem Künstlernamen „Dena“ zeigen. Der Coburger ist gelernter Altenpfleger. Was er in seinem Beruf erlebt, verarbeitet er in seinen eigenen Rap-Texten. „Sogar Angela Merkel sagt, dass ihr Job nicht so anstrengend ist wie der eines Altenpflegers“, sagt „Dena“. „Die Resonanz im Internet ist durchweg positiv“, erzählt er. 80.000 Klicks hat er mit seinen Videos bei YouTube mittlerweile schon gesammelt. In der Bohlen-Sendung hofft „Dena“ nun auf ein noch breiteres Publikum für seine Botschaft.

Das große Fernsehpublikum, davon profitiert Fortunato Lacovara heute noch. Der 50-jährige Nürnberger mit italienischen Wurzeln hat in der vergangenen Staffel den siebten Platz belegt. „Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, bei der Sendung mitzumachen“, sagt der Sänger der NZ am Telefon. „Gerade bin ich auf dem Weg zum Casting“, erzählt er, er will dort alte Bekannte treffen. Sein Leben verändert hat die Sendung nicht, auch wenn er heute viel häufiger gebucht wird als früher. Seinen Laden für Gastronomiebedarf betreibt Lacovara immer noch, „man muss schließlich am Boden bleiben“.

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