Tessa Ganserer: Grünen-Politiker ab sofort als Frau im Landtag

André Ammer

5.1.2019, 15:20 Uhr

"Ich bin Frau, mit jeder Faser meines Körpers. Und nun auch Frau Landtagsabgeordnete", schreibt Tessa Ganserer auf Facebook. Das Leben als Markus Ganserer sei nicht schlecht gewesen, "aber ich bin Tessa Ganserer und werde jetzt endlich auch so leben". Ab diesem Montag will die 41-Jährige auch im Landtag ihre wahre Identität zeigen und in Frauenkleidung und mit Perücke im Plenum sitzen oder am Rednerpult stehen. Tessa Ganserer ist damit die erste Transfrau in einem deutschen Landesparlament. Vor zehn Jahren hat Ganserer, die verheiratet ist und zwei Söhne hat, zum ersten Mal die Frau in sich gesehen. Nachdem sie probehalber ein Kleid übergezogen hatte, hatte sie gespürt, dass da noch etwas anderes in ihrem Körper war. Lange hatte die Politikerin mit sich gerungen, ihre Identität als Frau verleugnet, bis sie sich im November vergangenen Jahres öffentlich zu ihrer nicht mit Transsexualität zu verwechselnden Transidentität bekannte. Transidentität beschreibt ein natürlich bedingtes Phänomen, bei dem die soziale Geschlechtsidentität vom biologisch anderen Geschlecht abweicht.

Zu Beginn der laufenden Legislaturperiode hatte Tessa Ganserer sich und ihren Landtagskollegen noch eine Art Schonfrist gegeben und das politische Kalenderjahr als Mann abgeschlossen. Das neue nach Heiligdreikönig will sie als Frau beginnen.

Während sich Tessa Ganserer auf ihrer Homepage noch als Markus Ganserer mit Fotos mit Bart und Herrenkleidung präsentiert, ist ihr Eintrag in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia bereits geändert. Und auf Facebook gibt es zusätzlich ein neues Profil als Tessa Ganserer, in dem sie sich auf ihrem Profilbild mit Bluse und langen blonden Haaren präsentiert. Die Kommentare in den sozialen Netzwerken waren fast alle positiv, auch wenn es vereinzelte Äußerungen wie "einfach nur pervers" gab. Nachdem sich die Grünen-Politikerin öffentlich zu ihrer weiblichen Identität bekannt hatte, gratulierten ihr im Landtag Abgeordnete aller Fraktionen außer der AfD zu ihrem Mut.

Bei ihrem Outing vor einigen Wochen sei sie sich zu 100 Prozent sicher gewesen, dass sie eine Frau sei, sagte Tessa Ganserer gegenüber der Süddeutschen Zeitung. "Aber ich wollte 110 Prozent sicher sein". Nach der Diagnose eines Psychiaters Ende November, der ihr schriftlich das Leiden unter der falschen Geschlechterrolle bescheinigte, ist sie das nun. Die 41-jährige Grünen-Politikerin verschenkte ihre bisherige Kleidung und hat am 9. Januar einen Termin mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), mit der sie die nun nötigen Formalitäten besprechen will. Bei der Landtagswahl im Oktober hatten die Bürger mit Markus Ganserer einen Mann ins Parlament gewählt, künftig sitzt mit Tessa Ganserer eine Frau im Plenarsaal.

Der Gesetzgeber hat für transidentitäre Menschen hohe Hürden bis zur endgültigen Anerkennung gesetzt. Zwei psychologische Gutachten und eine einjährige "Probezeit" als Frau sind nötig, bis Tessa Ganserers Identität auch rechtlich anerkannt ist. Bei der Verkehrs-Aktiengesellschaft (VAG) Nürnberg verläuft ihr Wechsel in ein neues Leben erheblich unkomplizierter, wie ein Screenshot von ihrem neuen eTicket auf ihrer persönlichen Facebook-Seite zeigt. "Wenn jemand meine Geschlechtsidentität problemlos anerkennt, dann meine VAG Nürnberg", schreibt Ganserer.

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