"Todeskampf" am Wöhrder See: Erste Gänse abgeschossen
19.8.2018, 16:34 UhrAm frühen Samstagmorgen hallten Schüsse durch Nürnbergs Osten. Zwei Jäger, so berichtet es eine Augenzeugin, gingen an der Badebucht am Wöhrder See auf Jagd. Ihr Ziel: Gänse. Oder vielmehr: Problem-Gänse. Seit Monaten bereiten sie der Stadt Ärger, koten den für viel Geld aufgeschütten Strand voll, der eigentlich zu Nürnbergs neuer Naherholungs-Perle werden sollte. Vor wenigen Wochen entschied sich die städtische "Task-Force" für den kontrollierten Abschuss einiger Gänse. "Das wird keine Massensache", beruhigte Bürgermeister Christian Vogel die da schon erhitzten Gemüter. Wann geschossen wird, das entscheiden die Jäger selbst.
Die sind jetzt offenbar zu der Einschätzung gekommen, dass es Zeit ist. Im Morgengrauen, genauer gegen 6.30 Uhr, schossen wohl zwei Jäger auf die Gänse in der Badebucht - so beschreibt es eine Augenzeugin. Die Polizei bestätigte auf nordbayern.de-Nachfrage, dass sie von der Aktion wusste. Zum Ablauf wollte das Präsidium Mittelfranken aber keine genaueren Angaben machen. Auch Bürgermeister und Sör-Chef Christian Vogel bestätigte am Rande einer Demonstration in der Nürnberger Innenstadt indirekt den Vorgang, verwies aber auf Sonntag. Dann wolle sich die Stadt dazu äußern.
"Ich zog eine Gans aus dem Wasser"
Anke H. war am Samstagmorgen spontan am Wöhrder See - und beobachtete alles. Sie spricht von einem Todeskampf, den die getroffenen Tiere durchlitten. "Ich zog eine Gans aus dem Wasser an Land, damit sie nach einer Stunde endlich sterben durfte." Ein Projektil habe lediglich den Rücken einer Kanadagans durchbohrt. "Da stirbt es sich nicht so schnell", sagt H., die sich über die mangelnde Treffsicherheit der Jäger echauffiert. Ein weiterer Passant bestätigt den Vorfall gegenüber nordbayern.de, spricht ebenfalls davon, dass die Gans gut eine Stunde lang litt. "Das ist brutal und unverantwortlich von der Stadt", sagt er.
Auch das Tierheim meldete sich zu Wort. Eine weinende Frau habe bei ihrem Notdienst angerufen. "Auf dem Wasser konnte sie (die Gans, Anmerkung der Redaktion) nicht gefangen werden und ist dann vermutlich verblutet", schreiben die Ehrenamtlichen auf Facebook. Die Experten des Tierheims konnten nichts mehr für das schwer verletzte Tier tun. "Wir sind entsetzt, schockiert und fassungslos!", sagt das Tierheim und fordert Konsequenzen. "Das Monster Mensch hat mal wieder zugeschlagen."
Die Abschüsse sollen, so hat es die Stadt begründet, die Tiere abschrecken. Auch deshalb wolle man ohne Schalldämpfer auf die Gänse schießen, erklärte die "Task Force". Dass der Abschreck-Effekt eintritt, zweifelten Experten bereits im Vorfeld an - und verweisen dabei etwa auf Frankfurt. Dort wurden im vergangenen Herbst sechs Gänse geschossen. Die überlebenden Exemplare haben den Schreck aber schnell verdaut.
15.000 Menschen unterstützen Petition
Augenzeugin Anke H. hat genau das auch am Wöhrder See beobachtet. Nach 40 Minuten seien die Tiere wieder zurück an den Strand gekehrt, so, als sei nichts gewesen. Sie ist gerade nach dem Erlebnis am Samstagmorgen sauer auf die Verantwortlichen. "Ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass dies auch der Abschuss für die Karriere all der Befürworter in der Stadt zu Nürnberg ist", sagt sie.
Die Kritik war unmittelbar nach der Ankündigung bereits verheerend. Tierschützer gingen auf die Barrikaden. Der Nürnberger Tierschutzverein nahm den Vorstoß "mit Entsetzen" auf. "Es kann nicht sein, das mal wieder Tiere darunter leiden müssen und die Gänse zum Abschuss freigegeben werden, ohne dass man andere Möglichkeit ausprobiert hat", sagte etwa Vorstand Marcus König, der auch für die CSU im Stadtrat sitzt. Eine Petition, die den Abschuss verhindern will, hat bereits über 15.000 Unterstützer. Auch der Stadtjäger selbst ist skeptisch. "Es werden nicht die richtigen Entscheidungen getroffen", sagte Gert Hügel vor gut drei Wochen. Noch immer werden die Tiere gefüttert, ein Verbot der Stadt nicht entsprechend kontrolliert. "Da können auch Jäger keine Wunder bewirken."
Unklar ist bislang auch, warum die Jäger die abgeschossenen Tiere nicht sofort entfernten. Für die Verwertung, das betonte Christian Vogel, seien sie selbst verantwortlich. Die Tiere werden "zubereitet und gegessen", vermutete der Bürgermeister.
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