"Totalversagen" beim Feinstaub: Nürnberg drohen Klagen
1.2.2017, 05:54 UhrDas Umweltbundesamt (UBA) listet Nürnberg beim Feinstaub (PM10) in Deutschland auf Platz 1. An 16 Tagen im Januar wurde der Tagesmittelwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten. Der Wert darf laut EU aber im ganzen Jahr nur an 35 Tagen überschritten werden. Sind es mehr, muss die Stadt einschreiten, notfalls durch Fahrverbote.
Die Messstation des Landesamts für Umwelt ist an der vielbefahrenen Von-der-Tann-Straße im Westen Nürnbergs. Sie steht laut Experten aber stellvertretend für viele Hauptachsen in der Stadt und die Schadstoffbelastung. Das Nürnberger Umweltreferat sieht vor allem die Inversionswetterlage und den hohen Anteil an trockenen Streusalzen als Ursache für die enormen Januar-Werte. Sorgt allerdings Streusalz für die Überschreitungen der EU-Grenzwerte, werden sie laut Referat nicht berücksichtigt. 2015 beispielsweise war das an sieben von 21 Tagen der Fall.
Inversionswetterlage zeigt Belastung für Städter
"Die Inversion ist eine Extremsituation, aber sie führt vor Augen, welch hoher Belastung die Stadtbewohner ausgesetzt sind", sagt Berthold Söder vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Nürnberg. Der motorisierte Individualverkehr und Heizungsanlagen seien hauptverantwortlich für die Luftbelastung. Söder vermisst daher, dass die Stadt nicht einschreitet. "Nicht einmal einen Appell, das Auto stehen zu lassen, hört man." Kurzfristig könnten auch Umweltzonen, Tempolimits oder Durchfahrverbote Verbesserungen bringen.
Auch Maria Krautzberger sieht die Kommunen, aber auch Länder und den Bund in der Pflicht. "Sie können weitere Anstrengungen unternehmen, um das Gesundheitsrisiko durch Feinstaub zu verringern", sagte die UBA-Präsidentin bei der Vorlage des Jahresberichts zur Luftbelastung 2016. Sie nennt private Holzfeuerung und Ammoniak aus der Landwirtschaft.
Blaue Plakette?
Krautzberger und Jürgen Resch von der Umwelthilfe warnen noch vor einer weiteren Schadstoffbelastung der Menschen durch Stickstoffdioxid. Hauptquelle seien alte Diesel-Autos. "Es kann aus Sicht des Gesundheitsschutzes nicht akzeptiert werden, dass die Kommunen keine Handhabe haben, um beispielsweise Dieselautos mit hohem Ausstoß aus den belasteten Innenstädten auszuschließen", so die UBA-Präsidentin. Sie fordert eine Blaue Plakette.
Resch spricht von einem "Totalversagen der Politik". Oslo und Tessin hätten Fahrverbote für Dieselautos ausgesprochen. "Wir werden die Behörden auf dem Gerichtsweg dazu bringen, Dieselfahrverbote spätestens ab 1. Januar 2018 einzuführen."
24 Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen