Wir haben uns umgesehen
Tragen oder weg damit? So gehen die Nürnberger mit der entfallenen Maskenpflicht um
3.4.2022, 17:18 UhrWer sich für gewöhnlich in den Abendstunden die neuesten Kinofilme ansieht, dürfte überrascht sein, wie viel am Sonntagmorgen vor dem Cinecittá los ist. Bereits um 9.30 Uhr warten die ersten Familien auf den Einlass. Unter ihnen ist Tobias Lehneis mit seinen drei Kindern. Emma (9), Leon (5) und Luisa (4) freuen sich auf die Animationskomödie „Die Gangster Gang“. Auch wenn von diesem Tag an die meisten Corona-Beschränkungen in Bayern wegfallen, ist Lehneis unschlüssig, wie er sich künftig verhalten soll.
„Heute werde ich die Maske noch einmal aufsetzen“, sagt der 36-Jährige. Mit Blick auf die immens hohen Fallzahlen - am Sonntag lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Nürnberg bei knapp 2500 - möchte er vorsichtig bleiben. Zwar ist er bislang ohne Infektion durch die Pandemie gekommen. Mit Blick auf seinen Job in der Lebensmittelbranche müsse dies aber auch dringend so bleiben.
Auf Abstand und Hygiene achten
„Wir stehen am Abgrund mit der Firma“, beklagt Lehneis. Jeder Ausfall würde die Situation weiter verschärfen. Schon deshalb möchte er weiter auf Abstand und Hygiene achten, wie er es in seinem Beruf schon vor der Pandemie gewohnt war.
Katrin Milewski und ihre Töchter Charlotte (12) und Louise (9) möchten sich den Film „Sonic The Hedgehog 2“ ansehen. Die Mutter hat kein mulmiges Gefühl. Für sie kommt der Wegfall der Maskenpflicht grundsätzlich zum richtigen Zeitpunkt. Während es Charlotte kaum erwarten kann, den Unterricht wieder ohne das nervige Teil zu verfolgen, das an den Ohren spanne, will ihre Mutter zumindest im Supermarkt weiter Maske tragen. Sie kann es gar nicht leiden, wenn Leute drängeln und sich an der Kasse direkt hinter sie stellen. Das aber, befürchtet sie, werde wohl schon bald wieder der Fall sein.
Um Punkt 10 Uhr macht das Cinecittá schließlich auf. Die meisten, die hineingehen, haben eine Maske auf. Anders als bislang, muss am Eingang aber niemand mehr seinen Impf- oder Testnachweis vorzeigen.
Wo sind sie nur?
Ortswechsel: In der Mittelhalle des Nürnberger Hauptbahnhofs muss man schon minutenlang suchen, um Reisende zu finden, die ihr Gesicht unverhüllt präsentieren. Die meisten, viele womöglich aus Unwissenheit, tragen ihren Mund-Nasen-Schutz wie in den Monaten zuvor.
Josefin und Hannah zählen zu den wenigen Ausnahmen. Sie sind gerade von einem Konzertwochenende aus Augsburg zurückgekehrt. „Es ist gut, wenn man einfach mal durchatmen kann“, sagt Josefin nach ihrer Zugfahrt mit Maske. Sie befürwortet, dass es nun wieder im Ermessen jeder und jedes Einzelnen liegt, den Schutz zu tragen, oder nicht.
Hannah, die ebenfalls ein Cello auf dem Rücken trägt, war sich bei der Ankunft unsicher, ob sich die beiden 23-Jährigen richtig verhalten: „Es ist schon komisch, wenn man nirgendwo jemanden ohne Maske sieht.“
Maria Langner bricht mit Freundinnen zu einem Städtetrip nach Berlin auf. Sie ist in der Pflege tätig und hat sich bewusst für einen Mund-Nasen-Schutz entschieden. In der Oberpfalz, Langner kommt aus der Nähe von Weiden, gebe es aktuell mehr Infizierte als je zuvor. Zwar seien die Intensivstationen nicht voll ausgelastet, die Normalstationen dafür umso mehr unter Druck, so dass immer wieder angesetzte Operationen verschobenen werden müssen.
Der Wegfall der Maskenpflicht ist für Langner nicht in Ordnung: „Der Lauterbach hat das bestimmt anders gewollt, sich in der Dreier-Koalition aber nicht durchsetzen können.“ Sie ist sich sicher, dass das Virus erneut mutieren werde – mit abermals drastischen Konsequenzen im Herbst.
Wer einen Blick in die Geschäfte im Hauptbahnhof wirft, stellt fest, dass auch dort die überwältigende Mehrheit die Maske aufbehält. In der Lidl-Filiale, die bereits gut besucht ist, verzichten lediglich mehrere Kassierer auf eine Maske.
"Die Menschen sind müde geworden
Und wie sieht es in der Innenstadt aus? Im Literaturhaus-Café setzen die meisten wie gehabt ihre Maske erst am Platz ab. Doch nicht alle. „Wo wir uns wohlfühlen, tragen wir keine“, sagt Adelheid Winter-Heubusch, die mit ihrem Mann Nikolaus Winter zu den Stammgästen zählt. Dass sie sich in ihrem „Esszimmer 2.0“, wie sie das Café liebevoll nennen, wie zu Hause fühlen, wird sofort klar.
Die Mitarbeiter kümmern sich rührend um Nikolaus Winter, der an Multipler Sklerose erkrankt ist und im Rollstuhl sitzt. „Natürlich muss ich mit meiner Vorgeschichte aufpassen“, sagt Winter. Im Literaturhaus-Café hätten er und seine Frau sich aber auch während der Pandemie zu jeder Zeit sicher gefühlt.
„Die Menschen sind müde geworden“, sagt Winter-Heubusch mit Blick auf die Corona-Regeln. Da die Intensivstationen nicht ausgelastet sind, findet sie es gut, dass die Eigenverantwortlichkeit zurückkehrt.
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