"Trash the Dress": Extreme Hochzeitsfotografie ist im Trend
26.1.2015, 09:42 UhrRache war das Motiv bei Susanne Förster. Nicht auf den Ehemann, nein, auf ihr Brautkleid war die 25-Jährige bei der Hochzeit „stinksauer“. Bei der Anprobe hatte sich das Kleid noch tadellos verhalten oder vielmehr gehalten; am Tag der Tage ließ es sie dann im Stich. Bei der Unterschrift am Standesamt entpuppte sich die Korsage als weniger rutschfest als gedacht. Also kamen doch die vorsichtshalber eingenähten Träger ins Spiel. Die Braut ärgerte sich. Und noch viel mehr, als beim Fotoshooting nach der Trauung einer von beiden riss. Das Brautpaar musste abbrechen, hetzte zum Hotel zurück. Mit Nadel und Faden versuchte die Trauzeugin zu retten, was zu retten ist. Letzten Endes brachte das Kleid den ganzen Ablauf der Hochzeit durcheinander. „Ich war die ganze Zeit viel mehr mit meinem Hochzeitskleid beschäftigt, als mit meinen Gästen“, erzählt Susanne Förster.
Gruselige Kunstblut-Spritzer
Ein paar Monate später kam der Studentin dann die Idee: ein Halloween-Fotoshooting. Welches Kleid sie dazu anziehen würde, war ihr sofort klar: Das böse Hochzeitskleid, was sonst. Zwei Tage lang nahm sie sich Zeit, mit Freunden ein kleines Massaker mit ihrem Kleid zu veranstalten. Zuerst noch etwas vorsichtig, „dann aber richtig mit Abdrücken und Spritzern“, erzählt die gebürtige Nürnbergerin und lacht.
Ordentlich Kunstblut durfte es für das Kleid setzen. Den Freunden sei im ersten Moment schon „die Kinnlade heruntergeklappt“, sagt Förster. „Die haben nie gedacht, dass ich wirklich mein Originalkleid nehme.“
Am Ende gleicht das Brautkleid einem Putzlumpen. Der Ehemann findet die Aktion witzig, ihrem Vater hat die junge Frau davon lieber nichts erzählt. „Ich weiß nicht, ob der das so gut findet“, meint sie.
Die Splatter-Variante ist hierzulande allerdings doch eher ungewöhnlich für den Trend, der aus Amerika stammt. Meistens bleibt das Kleid heil. In Las Vegas erregte der Fotograf John Michael Cooper vor Jahren Aufsehen, als er eine Braut in Flammen inszenierte. Das Brautkleid brannte allerdings auch bei ihm nie wirklich, Photoshop sei Dank. Insgesamt rücken die amerikanischen Bräute ihrem Kleid aber mehr zu Leibe, zerschneiden es oder übergießen sich mit Farbe.
Auch bei uns bieten immer mehr Hochzeitsfotografen „Trash the Dress“ als eine Form des ungewöhnlichen Braut-Fotoshootings an. Statt verträumt an Baumstämmen lehnend, werden die Paare in rauen Settings fotografiert. Gerne im Industriegebiet oder in einer Sandgrube. „Überall dort, wo hart gearbeitet, gebaggert, gehoben und geschoben wird“, sagt Uwe Hess, der unter „Hochzeitsbildermacher“ firmiert. Der Kontrast ist es, was den Reiz ausmacht.
In Deutschland seien die Paare aber nicht so wagemutig, hat auch Hess festgestellt. Ihr Kleid wirklich zerstören, wollen die meisten seiner Kunden dann lieber doch nicht. Fast steril sauber seien seine Shootings in Wahrheit, sagt Hess. Egal, ob die Braut in einer Baggerschaufel oder auf einem Bahnsteig liegt, bei ihm schützt immer eine Plane darunter das Kleid. Die Flecken werden oft erst hinterher, in der Bildbearbeitung, hinzugefügt.
Farbe über Kleid gekippt
Dirk von Honnerlagengrete, zusammen mit Kollegen unter „Der Hochzeitsfotograf“ unterwegs, hält es etwas authentischer. „Nach der Hochzeit hat das Kleid ohnehin meistens Flecken“, sagt er. Als Örtlichkeit wählt auch er gerne Sandgruben oder Seen.
Er rät allen Paaren dazu, sich immer einem Profi anzuvertrauen, dem die Örtlichkeiten bekannt sind. Wer auf eigene Faust in einen See springt, um Bilder zu machen, könne sonst böse Überraschungen erleben. „Manche Seen sind stellenweise nur 30 Zentimeter tief, der Profi weiß so etwas“, sagt er.
Rückt ein Paar vom klassischen Brautbild ab, steckt meist eine Geschichte dahinter, sagt Honnerlagengrete. Ein Brautpaar zersägte das Kleid einmal symbolisch — weil die Familie ein Sägewerk besaß. Ein anderes Mal ließ sich die Braut zehn Liter Farbe übers Kleid kippen. Der Witz dabei: Sie lehnte an der eigenen Scheune, die Umrisse ihres Kleides wurden darauf verewigt.
Rund 300 Euro kostet ein solches Fotoshooting bei ihm im Großraum Nürnberg. Wer sich darauf einlässt, sei generell eher individualistisch. Er weiß auch, warum der Trend in Amerika vielleicht mehr Anklang findet: „In den USA heißt es, es bringt Unglück, das Brautkleid aufzuheben.“ Apropos: Weggeworfen hat Susanne Förster ihr Brautkleid dann doch nicht. Es liegt im Keller. An Halloween kommt es vielleicht wieder zum Einsatz.
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