Trotz Corona: Experten glauben an Nürnberger Innenstadthandel
11.3.2021, 05:55 UhrEigentlich hat alles gepasst bei der Geschäftsidee von Nadja Z.: Der kleine Laden, den sie mit ihrem Mann in wochenlanger Arbeit liebevoll hergerichtet hatte, die Lage am Rand der Fußgängerzone in der Nähe des Weißen Turms, das Konzept, alte Möbel im Shabby-Chic zu veredeln. Dennoch ist der lang gehegte Traum der 37-Jährigen von der Selbstständigkeit innerhalb eines Jahres geplatzt.
Gerade mal acht Monate nach der Eröffnung musste sie ihr Geschäft wieder schließen, weil ihre Rücklagen für den erneuten Lockdown nicht reichten und sie auch keine staatliche Unterstützung bekam. "Es ist einfach nur schrecklich", sagt Z., die nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld in das Projekt gesteckt hat und jetzt womöglich in die Privatinsolvenz gehen muss.
Zu schaffen macht ihr vor allem der Mietvertrag, den sie schon vor Beginn der Pandemie abgeschlossen hatte. Er läuft über insgesamt drei Jahre, "eigentlich hätte ich mich sogar für fünf Jahre binden sollen". Jetzt fürchtet die Nürnbergerin, noch zwei weitere Jahre zahlen zu müssen, obwohl sie den Laden längst leer geräumt hat. Fast 3000 Euro sind es Monat für Monat - "ich hoffe, dass sich bald ein Nachmieter findet".
Die Möbel, die sie nicht mehr verkaufen konnte, lagern in ihrem privaten Keller, manche habe sie auch wegwerfen müssen, weil sie sich kein Lager leisten konnte. Was bleibt, ist die Trauer um einen Lebenstraum, der in erster Linie wegen der außergewöhnlichen Umstände gescheitert ist. "Ich hatte überhaupt nicht die Chance, dass das Geschäft richtig anlaufen kann."
Sie ist nicht die einzige, die in der Corona-Krise aufgeben musste. Schon jetzt stehen in der Fußgängerzone 18 Geschäfte leer, elf davon laut Wirtschaftsreferat in der Breiten Gasse. Die Stadt hofft, dass Pop-up-Stores die Lücken füllen könnten, doch das hält Uwe Fraass nicht für sonderlich realistisch. Der Geschäftsführer der Conzepta City Immobilien vermittelt etliche Flächen in der Innenstadt und kennt viele Vermieter. "Die Mehrzahl will das nicht", glaubt Fraass. Zu hoch sei der Verwaltungsaufwand bei wechselnden Nutzern, zudem würden die Eigentümer fürchten, dass ein häufiger Wechsel in ihren Räumen bei Passanten Fragen aufwerfen würde und so dem Image der Immobilie schaden könnte.
Jedoch seien etliche Vermieter den Händlern während des Lockdowns entgegen gekommen und hätten Nachlässe gewährt. "Und dort, wo das geklappt hat, wird es in der Regel auch weitergehen." Schließlich hätten sich etliche Geschäftsleute über die Jahre etwas aufgebaut und jetzt, während der Pandemie, sogar ihre Wohnungen beliehen, um über die Runden zu kommen. "Die wollen weiter machen." Deshalb ist Fraass auch zuversichtlich, dass die Krise zu bewältigen ist. Jeder sei betroffen und müsse auf etwas verzichten, "dann schaffen wir es".
Dennoch sieht er in der Innenstadt einen Verbesserungsbedarf. "Nürnberg versteinert mehr und mehr", so der Makler. "Auch der Hauptmarkt ist kein attraktiver Platz." Nicht nur mobiles Grün, wie es zum Beispiel auf dem Lorenzer Platz geplant ist, hält er für wichtig, sondern auch eine dauerhafte Bepflanzung. Zudem müsse die Stadt stärker in die Sauberkeit investieren. Die Geschäfte dagegen müssten aus seiner Sicht ihr Online-Angebot ausbauen und stärker auf eine Mischung beider Verkaufsformen setzen.
Außerdem wünscht sich Fraass eine autofreie Innenstadt - und ist sich darin in Teilen mit Gerd Schmelzer einig. Der Immobilienentwickler plädiert für eine "autofreie Fußgängerzone vom Hauptbahnhof bis zur Burg", den Autoverkehr müsse man mit intelligenten Lösungen am Rand halten. "In der Innenstadt sind Fußgänger und Radfahrer die Zukunft."
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Auch Schmelzer weiß, dass derzeit viele Händler ums Überleben kämpfen, dennoch glaubt er daran, dass der Optimismus im Handel wieder kommt. "Die Innenstadt ist zu attraktiv, um zu sterben." Museen, Kirchen, das "Schatzkästchen" Altstadt mit seiner mittelalterlichen Struktur - das alles lasse sich nicht so leicht ersetzen.
"Für Nürnberg bin ich optimistisch, dass wir das schaffen", sagt Schmelzer und denkt dabei auch an zukunftsträchtige Projekte wie seinen Augustinerhof, in dem sein Sohn Omar schon im Mai, wenn es die Regeln zulassen, mit der Brasserie Nitz den Gastrobereich eröffnen will, mit 140 Sitzplätzen allein im Außenbereich. Auch der Hans-Sachs-Platz werde sich dank Cafés und Restaurants zum beliebten Treffpunkt entwickeln, so Schmelzer, "das wird der Sommerplatz der Stadt". Handel und Gastronomie müssten sich ergänzen.
Italienisches Flair: Shoppen in Nürnberg soll attraktiver werden
Andere sehen es ähnlich. Auch Sabine Gladasch, Filialgeschäftsführerin von Galeria Karstadt an der Lorenzkirche, glaubt, dass die Einkaufsstadt Nürnberg Zukunft hat. "Ich bin absolut zuversichtlich." Nürnberg habe eine "tolle Ausgangssituation", unter anderem dank "einer der längsten innerstädtischen Fußgängerzonen in Deutschland". Allerdings hofft Gladasch, dass den schrittweisen Öffnungen im Bereich des Handels möglichst bald auch Lockerungen in der Gastronomie folgen werden - "wenigstens im Außenbereich". Das erhöhe die Aufenthaltsqualität in der Stadt.