Trügerischer Schein des Glamourösen
1.8.2013, 16:00 UhrAuf dem Boden liegt bunt umwickeltes Wurzelwerk, das in Form von zusammengerollten Schnittmusterbögen weiter hinauf wuchert in den Luftraum des Treppenhauses und hoch oben vor einem Glaskubus endet. Darin sieht man Aufnahmen des Künstlerhaus-Glasbaus von allen drei Seiten in einer stark dynamisierenden Fotocollage.
In dieser dreiteiligen Rauminstallation, von der jeder Teil auch allein bestehen kann, fließt vieles zusammen, was die Arbeit von Marie Jeanne Turnea-Luncz auszeichnet. Auf das bunte Wurzelwerk kam sie durch ein Werbefoto, auf dem das Model bunt umwickelte Dreadlocks trug. Die Schnittmusterrollen erinnern daran, dass jeder Haute Couture eine zweidimensionale Zeichnung zugrunde liegt. Und die Fotocollage verweist zum einen auf das architektonische Interesse der Meisterschülerin von Heike Baranowsky, die zuvor bei Rolf Gunter Dienst und an der Bauhaus-Universität in Weimar studierte. Zum anderen nimmt diese Arbeit in ihrer dekonstruktivistischen Anmutung direkten Bezug auf den Ausstellungsort und seine Geschichte.
Die Punk-Szene finde sie „sehr faszinierend“, sagt die 1980 in Fürth geborene Künstlerin in Anspielung auf ehemalige Komm-Zeiten. Doch wenn sie sich mit Mode befasst, dann interessieren sie eher die Luxusmarken und Hochglanz–Magazine samt ihrer trügerischen Versprechen. In einem abgeteilten Kabinett hat sie die Wände mit auf rosa Fotopapier gedruckten Blaupausen behängt, die Label-Namen und Produkt-Inszenierungen für die Modezeitschrift Vogue als ausschnitthafte Zeichnungen wiedergeben. Alles Glamouröse ist dabei verschwunden. Von Namen wie Jil Sander oder Armani bleibt nur „Sand“ und „arm“, teure Flakons, Ketten und Lippenstifte werden zeichnend ihrer edlen Aura beraubt. Und so elegant eine andere Arbeit, eine lange weiße, mit einem Gittermuster durchschnittene Papierbahn, auf den ersten Blick wirkt – die gestreiften Papiertüten davor und die aufgezeichneten Models mit Tüten über dem Kopf entlarven die peppige Leichtigkeit der Mode- und Werbewelt als Hohlheit.
Sie wolle nicht werten, sondern den Betrachter zur Auseinandersetzung mit der Welt des schönen Scheins animieren, sagt Turnea-Luncz. Das gelingt ihr auf zuweilen sehr ästhetisch ansprechende Weise. Wie facettenreich und eigenständig das Werk dieser jungen Künstlerin ist, dokumentiert aber mehr noch der durch die Debütanten-Förderung ermöglichte Werkkatalog.
Glasbau im Künstlerhaus, Königstr. 93; bis 25. August, Di.–So. 10–18, Mi. bis 20 Uhr; Katalog 10 Euro. Im Anschluss folgt die Ausstellung des zweiten Debütanten-Preisträgers Matthias Schwab.
Keine Kommentare
Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich vorher registrieren.
0/1000 Zeichen