Umarmungen tabu: Wie Corona auf dem Friedhof wirkt

Irini Paul

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10.5.2020, 05:49 Uhr
Umarmungen tabu: Wie Corona auf dem Friedhof wirkt

© Foto: Friedrich Stark/epd

Die Corona-Pandemie beeinflusst seit Wochen jeden Lebensbereich. Wer einen lieben Menschen zu Grabe tragen muss, bekommt dies besonders schmerzlich zu spüren. Denn seit Mitte März gelten auch bei Bestattungen Einschränkungen und andere strenge Regeln, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. Bei der Friedhofsverwaltung ist man nach wie vor extrem vorsichtig, will aber ein Stück weit zurück zur Normalität – wenn auch in sehr kleinen Schritten.

So dürfen seit vergangenem Montag wieder Trauerfeiern stattfinden – wenn auch nur unter Auflagen und ausschließlich in den großen Trauerhallen auf dem Westfriedhof (nur für Erdbestattungen, da die Hallen am Krematorium wegen Bauarbeiten geschlossen bleiben), dem Südfriedhof wie auch in Reichelsdorf. "Die Hallen dort sind groß genug, damit der gebotene Mindestabstand eingehalten werden kann", sagt der Leiter der kommunalen Friedhofsverwaltung, Gerhard Kratzer. Bei kleineren müsste man erst im Einzelfall sehen, ob Trauerfeiern dort möglich seien.

"Es ist den Leuten aber einfach ein Bedürfnis"

Es war ein besonders massiver Einschnitt gewesen, Trauerfeiern zu untersagen. Stattdessen mussten die Bestattungen im kleinsten Kreis direkt am Grab stattfinden. Auch Urnenbeisetzungen finden inzwischen wieder statt. Diese waren seit Mitte März komplett ausgesetzt worden, da sie auch später erfolgen können. Erdbestattungen müssen hingegen innerhalb von 96 Stunden stattfinden. "Es ist den Leuten aber einfach ein Bedürfnis, Dinge abschließen und mit der Beisetzung auch mit der Trauerarbeit beginnen zu können", begründet Kratzer diesen Schritt.

Die Wiederaufnahme hat aber auch pragmatische Gründe: Es wäre zu viel an ausstehenden Beisetzungen aufgelaufen. Zum einen lassen sich heute rund 70 Prozent der Menschen nach ihrem Tod verbrennen, zum anderen hat die kommunale Friedhofsverwaltung durch die Pandemie mehr zu tun, weil Bestatter derzeit weniger ins Umland fahren, sondern eher Nürnberg ansteuern, wie Kratzer berichtet.

Dennoch ist man von normalen Zuständen weiterhin weit entfernt. An Beerdigungen und Trauerfeiern können maximal 15 Personen teilnehmen. Auch dies ist für die Trauergemeinde eine harte Einschränkung. Die Möglichkeit, andere Trauergäste etwa durch Videoaufnahmen nach der Beisetzung daran teilhaben zu lassen, ist grundsätzlich gegeben, wenn sie denn keinen gewerblichen Zwecken dienen. "Im Familien- und Bekanntenkreis sind Aufnahmen gestattet. Deren Einverständnis kann in den meisten Fällen unterstellt werden", so Kratzer.

Schaufeln werden desinfiziert

Soweit jedoch Dritte, etwa Mitarbeiter oder andere Teilnehmer, aufgenommen werden, sei deren Persönlichkeitsrecht berührt. So dass man sicherstellen müsse, dass alle einverstanden sind, so Kratzer weiter.

Auch wenn Trauerfeiern in den großen Hallen wieder stattfinden können, geschlossen dürfen die Räume jedoch nicht sein. Daher bleiben die Türen der drei großen Hallen währenddessen geöffnet. Auch müssen die Trauergäste in der Halle einen Mund-Nasen-Schutz tragen und die Kennzeichnungen beachten. Einen letzten Blumengruß darf man ins offene Grab werfen, aber die Schaufeln für den Erdwurf sind den Geistlichen vorbehalten. Um sicherzugehen, werden die Schaufeln vor jeder Beisetzung ausgetauscht und desinfiziert.

Man ist äußerst vorsichtig, denn der Betrieb muss unbedingt weiterlaufen. Das ist umso ehrgeiziger, als Kratzer seit Jahren mit wenig Personal auskommen muss: Für 116 Hektar Fläche hat er 220 Mitarbeiter zur Verfügung – von der Verwaltungskraft bis zum Gärtner. Die Friedhofsverwaltung betreibt aber nicht nur selbst zehn kommunale Friedhöfe, auf den zehn anderen konfessionellen Friedhöfen führt sie zudem Bestattungen durch. Personell könne er in vielen Teilen überhaupt nicht ausweichen oder diese Bereiche gar teilen.

Getrennte Schichten auf dem Friedhof

So sind gerade einmal zehn Mitarbeiter im Krematorium beschäftigt. "Bei einer Infektion könnten wir hier einpacken", sagt Kratzer. Deshalb wird dort ständig desinfiziert, die innerbetrieblichen Kontakte sind minimiert. Zu Beginn der Pandemie waren diese sogar komplett unterbunden worden, die Mitarbeiter des Krematoriums blieben auch über Nacht an ihrer Arbeitsstelle. Inzwischen bleibe jede Gruppe der einzelnen Bereiche während der Schichten für sich, in manchen arbeiten die Kollegen zeitversetzt. "Wir müssen unsere Mitarbeiter schützen und den Betrieb gewährleisten", so Kratzer.

Inzwischen ist auch wieder das Dienstleistungsbüro auf dem Südfriedhof im Privatverkehr für den Grabverkauf und dringende Grabangelegenheiten geöffnet – wenn auch hier unter den nötigen Schutzvorkehrungen.

Offene Aufbahrungen sind weiterhin nicht erlaubt – somit auch nicht, sich hier verabschieden zu können. Auch müssen die Trauergäste grundsätzlich mindestens 1,5 Meter Abstand zueinander halten. Eine schwierige Auflage in Momenten, in denen eine Umarmung zuweilen mehr hilft als warme Worte. Dennoch komme man auch hier nicht
an den Infektionsschutzmaßnahmen vorbei, sagt Kratzer.


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