Video: Zu Besuch im Schlaflabor
21.10.2011, 15:49 UhrWissenschaft + Kultur = Science Center. Von so einem zentralen Ort für alle, die von Forschung und Technik fasziniert sind, komplizierte Vorgänge und Grundlagen des modernen Lebens verstehen möchten, träumen viele in der Region. Die Nürnberger Zeitung möchte den Entstehungsprozess begleiten und stellt mit Portraits engagierte Wissenschaftler vor.
"Ich habe heute Nacht gut geschlafen“, sagt Joachim Ficker ohne lange nachzudenken. Dabei lacht er ein bisschen, weil ihn die Frage im Gegensatz zu seinen Patienten kaum umtreibt. Der Leiter des Schlaflabors am Nürnberger Klinikum verhält sich aber auch meistens vorbildlich. Bevor er ins Bett geht, legt er eine kleine Pause ein. Er rät davon ab, vom Computerbildschirm direkt in die Federn zu sinken. Dann bestehe die Gefahr, dass man beim Einschlafen nicht abschalten kann.
„Schlafmedizin ist sprechende Medizin“, ist Ficker überzeugt. Der vielseitige Experte, der auch als Lungenspezialist und Allergologe nach den organischen Ursachen einer ruhelosen Nacht forscht, versucht als erstes im Gespräch die Gründe für die Beschwerden seiner Patienten herauszufinden. Häufig helfe bereits eine Verhaltensänderung. Außerdem seien viele Menschen überrascht, dass ein Erwachsener sieben bis acht Stunden Schlaf am Tag benötigt und ein Mittagsschlaf nicht länger als 20 Minuten dauern sollte.
Wenn die Beschwerden allerdings hartnäckig ausgeprägt sind oder noch andere Symptome wie Atempausen hinzukommen, dauern Diagnose und Behandlung meist länger. Manchmal ist es wichtig, dass der Patient eine Nacht im Schlaflabor des Klinikums verbringt. Damit die außergewöhnliche Situation in einem ungewohnten Bett mit vielen Kabeln zu liegen und zu schlafen nicht noch zusätzlich durch permanentes Licht erschwert wird, zeichnet eine Infrarotkamera die Bewegungen in der Nacht auf. Im Kontrollraum nebenan werden alle Daten gespeichert und später ausgewertet.
Natürlich werden nicht alle Befunde von Joachim Ficker persönlich unter die Lupe genommen. Doch er legt Wert drauf, möglichst über alle Fälle informiert zu werden, die von der Norm abweichen. Etwa 60 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt er im direkten Kontakt mit dem Patienten. Damit der Leitende Arzt das Pensum überhaupt schafft, muss er seinen Tag sehr diszipliniert planen. Um 8.15 Uhr findet die Teambesprechung statt. Bei der Visite versucht er mindestens drei Stationen zu schaffen. Eine Stunde am Tag ist der Analyse von Röntgenbildern vorbehalten. Das entspricht rein rechnerisch 1,5 Minuten pro Patient. Die schwierigen Fälle, meist an Lungentumor Erkrankte, werden mit weitaus höherer Aufmerksamkeit betrachtet. „Ich arbeite sehr viel am Bildschirm“, erklärt der Mediziner. Auf seinem großen Schreibtisch stehen zwei Computerbildschirme und die Geräte sind aufeinander abgestimmt. Denn, „wer forscht, ist viel auf Reisen“, berichtet Ficker. Da kann er sofort von einem Gerät auf das andere umschalten, ohne Zeit oder Daten zu verlieren.
Nachdem die Schlafforschung, ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit von Joachim Ficker relativ jung ist, gibt es noch viel Neues zu entdecken. „Es wurde Jahrhunderte lang unterschätzt, welche Bedeutung diese Ruhephase hat“, erläutert der Experte. Immerhin verbringt der Mensch ein Drittel des Tages schlafend. Inzwischen existiert ein medizinischer Ausbildungszweig zum Facharzt für Schlafmedizin. Dies ist aber nur ein Aspekt des Tätigkeitsfeldes des engagierten Arztes. Die Lungenheilkunde ist ein ebenso wichtiges Forschungsgebiet Zur Zeit organisiert der anerkannte Wissenschaftler einen Kongress, zu dem rund 3000 Mediziner erwartet werden.
„Medizinische Forschung ist sehr spannend,“ betont er. Die Ergebnisse führen dazu, dass es Menschen besser geht, beschreibt er seine Motivation Er bezeichnet sich als „leidenschaftlichen Überzeugungstäter“. Man müsse allerdings geduldig sein. Manchmal arbeite man jahrelang an einem Thema ohne wirklich voran zu kommen und dann ergeben sich auf einem anderen Gebiet rasche Fortschritte. Bei der wissenschaftichen Arbeit gehe es auch darum, sich zu vernetzen und offen für die Kommunikation mit anderen zu sein. Man muss sehen, wenn sich Dinge ergänzen, fügt er hinzu.
Die Laufbahn als Arzt schlug Ficker ein, als klar war, dass der Brillenträger für eine Karriere als Pilot nicht geeignet war. „Ich erinnere mich gerne an mein Studium“, erzählt er. Als die Entscheidung gefallen war, legte er sich frühzeitig auf den Beruf des Internisten fest. Im Schlaflabor treffen sich beide Interessengebiete Forschung und Technik aufeinander. Diese finden bei der Diagnose Anwendung. Durch Sensoren werde Hirnströme gemessen, Augenbewegungen aufgezeichnet, der Sauerstoffgehalt im Blut bestimmt. Elektroden an den Beinen registrieren, wenn sich diese im Schlaf bewegen. „Wir produzieren pro Nacht und Patient etwa drei Gigabyte Daten“, erläutert der Arzt.
Bei der Therapie geht es meistens um kleinere Eingriffe oder die Anpassung von Schlafmasken, mit denen die Sauerstoffzufuhr geregelt wird. Übrigens: Die meisten Schlafstörungen gab es früher auch schon. Ernst genommen werden sie aber erst seit den 1980er Jahren. Seit dieser Zeit wurde nicht nur einem Bankdirektor geholfen, der Ficker im Gedächtnis geblieben ist, weil er zum Aktenstudium immer herumlaufen musste, um nicht einzuschlafen, sondern auch vielen anderen. Sie sind jetzt bestimmt deutlich leistungsfähiger als vorher, aber mit dem aufgeweckten Chef der Einrichtung dürften trotzdem die wenigsten Schritt halten können.
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